Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
Vom Netzwerk:
über das Essen meckerten. Offenbar gab es bei ihnen zu Hause noch genug, dachte Alex. Sonst wären sie doch, genau wie er, einfach nur froh gewesen, überhaupt etwas zwischen die Zähne zu bekommen.
    Jemand tippte ihm auf die Schulter und als er aufsah, stand Pater Mulrooney hinter ihm. Die Jungen am Tisch erhoben sich.
    »Setzt euch«, sagte Pater Mulrooney. »Mr Morales, ich habe eine Nachricht von Pater Franco von der Kirche St. Margaret’s für Sie. Er bittet Sie, ihn so bald wie möglich in seinem Büro aufzusuchen.«
    Alex spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. »Ich geh gleich hin«, sagte er. Bestimmt hatte Pater Franco irgendetwas über Puerto Rico gehört, über Milagro del Mar. Nur gut, dass Alex die Nachricht als Erster hören würde. Dann bliebe ihm noch genügend Zeit, sich zu überlegen, wie er alles seinen Schwestern beibringen sollte.
    Pater Mulrooney hob die Augenbrauen. »Haben Sie denn Erlaubnis, das Schulgelände zu verlassen?«
    »Nein, Sir«, sagte Alex. »Aber ich verlasse es trotzdem.«
    Kevin kicherte.
    »Die Einstellung, die manche von Ihnen an den Tag legen, gefällt mir überhaupt nicht«, sagte Pater Mulrooney. »Das ist eine Schule und kein Kegelverein. Hier kann nicht jeder kommen und gehen, wie es ihm gerade passt.«
    »Tut mir leid«, sagte Alex, »aber ich muss einfach gehen. Ich komme zurück, sobald ich kann. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte.« Er nahm seine Bücher und lief zum Ausgang der Cafeteria. Er spürte, wie ihm die anderen Schüler mit den Augen folgten. Alex Morales, der noch keinen Tag in der Schule gefehlt hatte, der noch nie einem Lehrer, geschweige denn einem Priester widersprochen hatte, dieser Alex Morales hatte sich soeben mit dem Schulleiter angelegt. Ach, lass sie doch glotzen. Was wussten die denn schon! Pater Mulrooney war darüber informiert, dass seine Mutter verschwunden war, aber über seinen Vater wusste auch er nichts.
    Alex warf seine Bücher in den Spind, verließ das Schulgebäude und rannte den ganzen Weg zu St. Margaret’s, ohne auf die Ampeln zu achten – es herrschte ohnehin kaum Verkehr. Das Frühjahr war ungewöhnlich heiß, und Alex war nass geschwitzt, als er bei der Kirche ankam, aber auch das war ihm egal. Wichtig war nur, dass Pater Franco Neuigkeiten hatte. Nach drei Wochen würde er nun endlich eine Nachricht erhalten.
    Wie üblich saß bereits ein halbes Dutzend Leute im Vorzimmer und wartete darauf, zu Pater Franco vorgelassen zu werden. Widerwillig setzte sich Alex dazu. Wenn das, was Pater Franco ihm zu sagen hatte, so dringend war, warum musste er dann erst noch stundenlang hier rumsitzen und warten?
    Plötzlich fiel ihm ein, dass er als Erstes am Schwarzen Brett hätte vorbeigehen sollen. Doch wenn er jetzt seinen Platz aufgab, würde er nachher sicher eine halbe Stunde länger warten. Und ein Schulbuch hätte er auch mitnehmen sollen, dann hätte er etwas zu tun gehabt, statt sich die ganze Zeit die kummervollen Gesichter der anderen Wartenden ansehen zu müssen. Eine Ablenkung wäre ihm schon deshalb willkommen gewesen, weil er merkte, dass er sich Hoffnungen machte. Vielleicht war Milagro del Mar ja von den Fluten verschont geblieben und Papá wohlauf?
    Oder Bris Vermutung war richtig gewesen und Mamá hatte irgendeinen Unfall gehabt und sich erst jetzt an ihren Namen und ihre Anschrift erinnert.
    Oder hatte Pater Franco vielleicht eine Nachricht von Carlos erhalten, über den Militärkaplan seiner Einheit? Es gab eine Vielzahl an Möglichkeiten, guten wie schlechten, aber Alex war klar, dass die guten die gefährlicheren waren. Nicht die Hoffnung aufgeben, das sagte sich so leicht, aber wenn diese Hoffnung dann ein ums andere Mal enttäuscht wurde, war das schon eine ganz andere Sache.
    Schließlich war er an der Reihe, und er betete um die Kraft, alles zu ertragen, was Pater Franco ihm zu sagen hatte.
    »Alex!«, rief der überrascht. »Ich dachte, du kämst erst nach der Schule vorbei.«
    »Pater Mulrooney meinte, es sei dringend«, antwortete Alex und nahm Platz. Obwohl er Pater Franco erst vor zwei Tagen bei der Messe gesehen hatte, schien ihm der Priester schon wieder um Jahre gealtert zu sein. »Gibt’s was Neues?«
    »Ja«, sagte Pater Franco. »Ach so, du meinst, von deinem Vater? Nein, mein Junge, von dem leider nicht. Inzwischen kommt zwar die eine oder andere Nachricht aus San Juan zum Festland durch, aber über das Schicksal der kleineren Ortschaften ist auch weiterhin nichts bekannt. Nein, das ist

Weitere Kostenlose Bücher