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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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gut finden?«
    »Wenn’s euch nichts ausmacht«, sagte Alex, »würde ich gern Radio hören.«
    »Es macht mir aber was aus«, brüllte Julie. »Sehr viel sogar. Ständig hörst du diese blöden Nachrichten! Ich hasse das Radio.« Und sie stürmte aus dem Zimmer.
    »Was ist?«, fragte Alex, als Bri ihn ansah.
    »Nichts«, sagte sie. »Aber Julie regen diese Katastrophenmeldungen immer furchtbar auf. Mir macht das nicht so viel aus, weil ich weiß, dass Gott uns Mamá und Papá eines Tages zurückbringen wird. Aber Julie glaubt nicht daran. Sie will nicht, dass du es weißt, aber sie hat Angst. In letzter Zeit hat sie ständig Albträume.«
    Alex war es so vorgekommen, als hätte sich Julie eigentlich viel mehr darüber aufgeregt, dass Bri irgendeinen Schauspieler nicht so toll fand, als über Plünderungen und Revolutionen. »Ich muss aber einen Überblick haben, was los ist«, sagte er.
    »Wieso?«, fragte Bri.
    Wie sollte er das erklären? Zu Anfang war er eigentlich ganz froh gewesen, nicht allzu viel von den Ereignissen mitzubekommen. Aber nun hatte sich das geändert, und das Radio war im Moment seine einzige Informationsquelle. Am Schwarzen Brett in der Kirche hingen immer nur Nachrichten aus, die die Stadt betrafen. Aber es gab ja auch noch eine Welt außerhalb von New York – eine Welt, die Alex einmal hatte erkunden wollen.
    Doch selbst wenn er Bri das alles begreiflich machen könnte, fände sie es wohl trotzdem wichtiger, Julie zu schützen. Und vielleicht hatte sie damit sogar Recht.
    »Na gut«, sagte er. »Dann höre ich eben nur noch abends, in meinem Zimmer.«
    »Das wird nichts helfen«, sagte Bri. »Ich weiß, dass du es so leise wie möglich stellst, aber man hört es trotzdem durch die Wand.«
    »Na super!«, murmelte Alex.
    »Hatten wir nicht irgendwo Kopfhörer?«, fragte Bri. »Soll ich die mal suchen?«
    Alex nickte. »Mach das«, sagte er. »Und ich rede inzwischen mit Julie.« Bri fing gleich an, in den Küchenschubladen zu kramen, und Alex ging in das Zimmer seiner Schwestern.
    Julie saß im Schneidersitz auf ihrem Etagenbett. »Na, willst du mir wieder eine knallen?«, fragte sie.
    »Nein, will ich nicht«, antwortete Alex, obwohl er genau das am liebsten getan hätte. »Ich wusste gar nicht, dass dich das Radio stört. Das hast du mir nie gesagt.«
    »Als ob dich das interessiert hätte«, sagte Julie. »Für mich interessiert sich hier doch sowieso keiner, außer Carlos, und der ist nicht da.«
    »Bri interessiert sich für dich«, widersprach Alex. »Sie sagt, du hättest Albträume.«
    »Hast du etwa keine?«, fragte Julie. »Hat die nicht jeder?«
    Alex musste lachen. »Zumindest jeder, der noch halbwegs bei Verstand ist«, sagte er. »Na gut, außer Bri vielleicht. Aber sonst bestimmt jeder.«
    »Meinst du, es wird wieder besser?«, fragte Julie. »Hörst du deshalb ständig Radio, weil du hoffst, dass es wieder besser wird?«
    Alex schüttelte den Kopf. »Nein, deshalb nicht«, sagte er. »Das ist höchstens der Grund, warum ich bete.«
    »Glaubst du, dass Gott unsere Gebete erhört?«, fragte sie.
    »Bri glaubt daran«, sagte Alex. »Und Pater Franco auch.«
    »All diese Menschen, die Selbstmord begangen haben«, sagte Julie. »Noch dazu in einer Kirche …«
    »Aber wenigstens einer von uns sollte wissen, was los ist«, sagte Alex. »Bri sucht gerade nach den Kopfhörern. Die setze ich dann auf, wenn ich Nachrichten hören will.«
    »Und du erzählst mir auch bestimmt nichts davon?«, fragte Julie.
    »Nur, wenn du mich darum bittest«, sagte Alex.
    Bri kam ins Zimmer. »Ich kann sie nicht finden«, sagte sie. »Aber das Radio hat einen Anschluss dafür, also müssen sie irgendwo sein.«
    »Komm, Julie«, sagte Alex. »Wenn wir alle zusammen suchen, finden wir sie umso schneller.«
    Dienstag, 7 . Juni
    »Die Regierung hat es gewusst«, sagte Kevin Daley. »Sie müssen gewusst haben, dass es eine Katastrophe geben würde. Und sie haben es einfach für sich behalten.«
    »Aber was hätten sie davon gehabt, dass die Leute sich nicht darauf vorbereiten konnten?«, wandte James Flaherty ein. »Nein, ich glaube, das war höhere Gewalt, und die Experten waren davon genauso überrascht wie wir.«
    Alex saß zwischen seinen beiden Schulkameraden in der Cafeteria und lauschte der Diskussion, die seit drei Wochen beinahe täglich gleich ablief. Als spielte das jetzt noch irgendeine Rolle. Alex war dankbar für jeden Bissen, den er in der Schule bekam, auch wenn Kevin und James ständig

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