Die Verlorenen von New York
dass es dieses Kloster überhaupt gibt«, sagte Alex. »Die Nonnen werden für dich sorgen, und du wirst bestimmt viele neue Freundinnen finden. Aber vor allem bist du dort in Sicherheit. Ich weiß nicht, wie lange es hier noch sicher ist. Im Moment geht’s ja noch, aber es wird von Tag zu Tag schlimmer. Auch wenn wir vielleicht nicht darüber reden, sollte dir das klar sein. Und ja, wenn ich für Julie auch so einen sicheren Ort finden kann, dann werde ich sie dorthin schicken. Ich bin jetzt für euch beide verantwortlich, zumindest so lange, bis Mamá oder Papá wieder da sind. Glaubst du nicht, die beiden wären auch dafür, dass du in dieses Kloster fährst, wo du in Sicherheit bist?«
Briana schwieg.
»Antworte mir«, beharrte Alex. »Meinst du nicht auch, dass Mamá und Papá froh wären, dich in Sicherheit zu wissen, in einem Kloster und in der Obhut der heiligen Schwestern?«
»Ja, Alex«, sagte Bri.
»Gut«, sagte er.
»Weiß Julie schon Bescheid?«, fragte Bri. »Hast du’s ihr schon erzählt und nur mir nicht?«
»Nein, natürlich nicht«, sagte Alex.
»Sie wird stinksauer sein, wenn sie das hört«, meinte Bri.
»Das ist nicht mein Problem«, sagte Alex. »Außerdem wird sie nicht lange sauer sein. Irgendwann wird sie einsehen, dass es das Beste für dich ist. So wie wir beide auch.«
»Ich hätte mich gern von ihr verabschiedet«, sagte Bri.
Alex sah die Szene in Gedanken vor sich. »Es ist besser so«, sagte er. »Heute Abend erzähle ich ihr alles.«
Eine Weile liefen sie wieder schweigend nebeneinanderher. Alex versuchte, nicht daran zu denken, wie Julie wohl reagieren würde.
»Wohin gehen wir eigentlich?«, fragte Bri.
»Zur St.-Benedict-Kirche«, erklärte Alex. »Von dort aus bringt euch ein Bus zum Kloster.«
»Bleibst du noch so lange bei mir, bis er kommt?«, fragte Briana. »Bitte, Alex.«
Alex nickte. »Wenn das geht«, sagte er.
»Und schreibt ihr mir?«, fragte sie. »Ihr beide?«
»Klar«, antwortete er. »Und du schreibst uns. Die Post spielt im Moment zwar ziemlich verrückt, so dass ich nicht sagen kann, wie viele Briefe tatsächlich bei dir ankommen werden, aber wir schreiben dir auf jeden Fall. Versprochen.«
»Wahrscheinlich wird das so ähnlich wie meine Sommerferien auf dem Land«, sagte Briana. »Da hatte ich auch jedes Mal Angst, bevor es losging, aber wenn ich mich erst mal daran gewöhnt hatte, war’s immer schön.«
»Ich hab dir eine Tasche gepackt«, sagte Alex. »Das Foto von uns allen, das bei Mamá am Bett stand, habe ich auch dazugelegt und deinen Rosenkranz und dein Tagebuch und die Sternennacht-Postkarte.«
»Danke«, sagte Briana. »Seit wann weißt du schon, dass ich wegfahre?«
»Seit vorgestern«, sagte Alex.
»Hoffentlich kann ich irgendwann wieder nach Hause«, sagte sie. »Ich glaub, ich würde sterben, wenn ich dich und Julie nie mehr wiedersehe.«
»Du wirst nicht sterben«, sagte Alex. »Und du siehst uns wieder. Komm jetzt. Wir müssen noch bis zur Madison Avenue und dann noch ein ganzes Stück uptown.«
»Ist dir die Tasche nicht zu schwer?«, fragte Bri. »Soll ich sie ein Stückchen tragen?«
»Nein, geht schon«, sagte Alex. »Lauf einfach ein bisschen schneller.«
Briana beschleunigte ihren Schritt und sie kamen etwas zügiger voran. Je schneller sie gingen, desto weniger konnte Alex darüber nachdenken, wie sehr sie ihm fehlen würde.
An der 108 th Street tauchte in der Ferne die Kirche vor ihnen auf. Sie war älter als St. Margaret’s, aber mindestens genauso imposant. Es kam ihm albern vor, aber Alex war trotzdem froh, dass die Kirche einen so ehrwürdigen Eindruck machte.
Während sie auf sie zugingen, tauchte vor ihnen ein Mädchen in Bris Alter auf, das von seiner Mutter begleitet wurde. Alex ging schneller und Bri folgte ihm. »Fahren Sie auch zur Farm?«, fragte er die beiden.
»Ja«, antwortete die Mutter.
Alex sah, dass das Mädchen weinte.
»Sie hat jetzt schon Heimweh«, erklärte die Mutter. »Ihr macht das alles furchtbare Angst.«
»Ich heiße Briana«, sagte Bri zu dem Mädchen. »Und du?«
»Ashley«, antwortete das Mädchen.
»Eine Freundin von mir heißt auch Ashley«, sagte Bri. »Sie sieht dir sogar ein bisschen ähnlich. Warst du schon mal auf einer Farm?«
»Nein«, murmelte Ashley.
»Aber ich«, sagte Bri. »Das ist richtig nett auf so einer Farm. Auf welche Schule gehst du denn?«
»Mother of Mercy High School«, sagte Ashley. »Zehnte Klasse.«
»Ich gehe auf die Holy Angels«, sagte
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