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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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Bri. »Und ich bin in der neunten.«
    Ashleys Mutter sah Alex dankbar an. »Die Entscheidung ist mir wirklich nicht leichtgefallen«, flüsterte sie. »Aber ich wusste mir keinen anderen Rat.«
    »Das kann ich verstehen«, antwortete Alex. »Ich habe Briana auch gerade noch erklärt, dass sie von Glück sagen kann.«
    Gemeinsam betraten sie die Kirche, in der ein Hinweisschild sie dazu aufforderte, im Untergeschoss zu warten. Der Raum war schon gut gefüllt mit Mädchen, die in Begleitung ihrer Angehörigen waren. Viele von ihnen weinten, und auch Ashley begann wieder zu schluchzen. Alex fand noch einen Platz für sich und Briana. Er hielt ihre Hand, aber sie weinte nicht.
    »Du bist wirklich sehr tapfer«, sagte er zu ihr. »Ich bin stolz auf dich.«
    »Ich möchte auch nicht weinen«, sagte sie. »Aber ich habe nachgedacht, Alex. Du musst mir etwas versprechen.«
    »Wenn ich es kann«, sagte er.
    »Nein«, sagte sie. »Du musst es mir versprechen. Wie einen heiligen Schwur. Sonst fahre ich nicht mit.«
    Alex dachte daran, wie selten Bri eine Szene machte, im Vergleich zu Julies ewigem Gejammer und Tante Lorraines dramatischen Auftritten. »Aber manches kann ich nun mal nicht versprechen«, sagte er. »Zum Beispiel, dass der Mond irgendwann an seinen Platz zurückkehrt und alles wieder normal wird.«
    »Das weiß ich«, sagte sie. »Und genauso wenig kannst du mir versprechen, dass Papá oder Mamá wieder nach Hause kommen. Aber du musst schwören, dass ihr beide, du und Julie, in der Wohnung bleibt, dass ihr nicht auch noch spurlos verschwindet. Du musst mir schwören, dass ihr zu Hause bleibt, damit ich immer weiß, wo ihr seid, und damit Papá und Mamá und Carlos euch dort finden, wenn sie nach Hause kommen, und ihr ihnen sagen könnt, wo ich bin, und ich dann auch nach Hause kommen kann. Versprich mir das, Alex. Ich könnte es nicht ertragen, wenn ihr beide auch noch spurlos verschwindet.«
    »Ich verspreche es dir«, sagte Alex und hoffte im Stillen, dass ihnen, sollten sie doch irgendwann fortgehen müssen, die Zeit bleiben würde, Bri Bescheid zu sagen. »Wir bleiben hier, für dich und für Papá und Mamá und Carlos.«
    »Gut«, sagte Briana. »Dann kannst du jetzt gehen. Du musst Julie abholen und ihr sagen, was los ist.«
    »Nein«, sagte Alex mit einer Vehemenz, die ihn selbst überraschte. »Ich kann jetzt nicht einfach gehen. Ich muss hierbleiben, bis ich sicher sein kann, dass du auch wirklich in diesem Bus sitzt.«
    »Aber ich habe doch gesagt, dass ich mitfahre«, sagte Bri. »Du kannst mir vertrauen.«
    »Darum geht’s nicht«, sagte Alex. Er wollte Bri nicht eingestehen, was ihm gerade klar geworden war: dass er vor allem deshalb sehen musste, wie sie in diesen Bus stieg, weil er sonst das Gefühl gehabt hätte, auch sie würde spurlos verschwinden, und das könnte er nicht ertragen. »Aber ich hab doch all die Papiere. Ich muss auf jeden Fall bleiben, bis der Bus kommt.«
    »Ist gut«, sagte Bri. »Ich dachte nur, du würdest vielleicht lieber schon gehen.«
    »Bri, mir gefällt das alles genauso wenig wie dir«, sagte Alex. »Aber es ist nun mal das Beste. Nicht nur für dich, sondern auch für Julie und mich. Wir haben dann mehr zu essen, und wir müssen uns auch keine Sorgen mehr um dich machen, weil wir wissen, dass du gut versorgt bist.«
    Briana nickte. »Ich glaube, ich möchte jetzt beten«, sagte sie. » La Madre Santísima wird mich sicher trösten.«
    Es war schon fast drei, als der Bus schließlich eintraf. Das allgemeine Schniefen verwandelte sich wieder in Schluchzen, und sogar Alex kämpfte mit den Tränen. Auch Briana weinte hemmungslos, als sie ihren Bruder zum Abschied umarmte.
    Alex legte der Nonne Bris Geburtsurkunde, das Zeugnis und den Zahlungsnachweis vor. Die Nonne war älter, als er erwartet hatte, aber sie hatte ein freundliches Gesicht, lächelte Bri an und hieß sie willkommen. Alex stemmte die Reisetasche oben auf die Gepäckablage. Dann drängten die Mädchen in den Bus, und Alex sah, dass Briana sich neben Ashley setzte. Sie hat schon eine Freundin gefunden, dachte er voller Stolz. Mit ihrem Mut und ihrem Glauben wird sie den anderen Mädchen ein Vorbild sein.
    Es war schon zu spät, um Julie von der Schule abzuholen, und Alex beschloss, direkt nach Hause zu gehen. Er hatte den Gedanken an Julie und ihre Reaktion so lange wie möglich verdrängt, weil er erst einmal Briana in Sicherheit bringen wollte. Er wusste, wie sehr Julie an Bri hing, aber er konnte sich

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