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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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Julie. »Ich hatte solche Angst, Alex. Versprich mir das.«
    »Ich verspreche es dir«, sagte Alex. »Und jetzt fände ich gut, wenn du dich um das Abendessen kümmerst. Ich weiß nicht, wie’s dir geht, aber für mich klingt heute sogar eine Dose Spinat verlockend.«
    »Für mich auch«, sagte Julie. »Und ein bisschen Lachs dazu? Ich glaube, davon ist auch noch eine Dose übrig.«
    »Das musst du entscheiden«, sagte Alex. »Du bist von jetzt an fürs Kochen zuständig.« Dann wurde ihm klar, welche Konsequenzen das vielleicht haben würde. »Aber du musst sparsam mit unseren Vorräten umgehen«, fügte er rasch hinzu. »Heute Abend vielleicht lieber nur Spinat.«
    »In Ordnung«, sagte Julie. »Ich werde darauf achten, versprochen. Und ich tu alles, was du sagst. Nur lass mich bitte nie mehr allein.«
    »In Ordnung«, sagte Alex. »Versprochen.« Eine halbe Dose Spinat, dachte er. Kein Frühstück, kein Mittag und abends eine halbe Dose Spinat. Blieb nur zu hoffen, dass wenigstens Bri in ihrem Kloster etwas mehr zu essen bekam.

 
    SECHS
    Sonntag, 12 . Juni
    Nach der Messe fragte Julie Alex, ob sie den Nachmittag bei ihrer Freundin Lauren verbringen dürfe, und Alex erlaubte es ihr gern. Julie und er hatten einen vorläufigen Waffenstillstand miteinander geschlossen, der darin bestand, dass beide möglichst wenig sprachen, um den anderen ja nicht zu provozieren. Die Aussicht auf einen Nachmittag, an dem er nicht jedes seiner Worte auf die Goldwaage legen musste, hatte also durchaus ihren Reiz für Alex.
    Pater Franco war nach der Kirche extra auf ihn zugekommen, um ihm von Schwester Grace auszurichten, Briana habe sich schon recht gut eingelebt.
    Alex war nicht sicher, ob er Julie davon erzählen sollte oder nicht. Sie hatte Bri seit jenem Abend nicht mehr erwähnt, außer, als sie sich beschwerte, dass ihre Zahnbürste fehlte. Alex hatte im Arzneischrank eine unbenutzte gefunden, und danach hatte sie nichts mehr gesagt. Er wusste, dass Julie Bri mindestens ebenso sehr vermisste wie er, aber wie groß ihr Schmerz auch sein mochte, sie behielt ihn jedenfalls für sich, und Alex war ihr dankbar dafür. Mit welchen Worten hätte er sie trösten sollen, wo er doch schon für sich selbst keinen Trost fand?
    Als er nach Hause kam, gab es mal wieder keinen Strom. Auch am Vortag hatte es keinen gegeben, und die Wohnung, die ohnehin nicht viel Tageslicht bekam, wirkte dunkel und abweisend. Alex schnappte sich die Taschenlampe und sein Chemiebuch. Die Abschlussprüfungen rückten näher, da konnte er die Zeit ebenso gut zum Lernen nutzen.
    Ein Klopfen am Fenster ließ ihn zusammenzucken. Er blickte auf und erkannte Onkel Jimmy. Beim letzten Mal, als Jimmy ans Fenster geklopft hatte, hatte er ihnen Lebensmittel geschenkt. Vielleicht hatte er wieder eine Lieferung erhalten und wollte den Kindern seiner Schwester etwas davon abgeben. Alex rannte zur Tür und machte ihm auf.
    Jimmy trat ein und setzte sich aufs Sofa. »Ihr Kinder haltet die Wohnung gut in Ordnung«, sagte er. »Eure Eltern wären stolz auf euch.«
    »Danke«, sagte Alex.
    »Mir ist nicht ganz wohl bei der Sache, aber Lorraine scheint es für eine gute Idee zu halten«, fing Jimmy an. »Wir wollen nämlich weggehen aus New York. Es kommt zwar ab und zu eine Lieferung rein, aber ich kann diese Preise nicht bezahlen, und selbst wenn ich es könnte, könnten es meine Kunden nicht. Von daher brauche ich mir wohl nicht länger vorzumachen, ich könnte die Bodega wieder in Schwung bringen. Außerdem ist Lorraine fest davon überzeugt, dass New York bald untergehen wird. Du kennst sie ja.«
    Alex nickte.
    »Vielleicht hat sie sogar Recht«, sagte Onkel Jimmy. »Die Situation wird von Tag zu Tag schlimmer, das sieht wohl noch der letzte Idiot. Und ich muss an meine Kinder denken. Jedenfalls wollen wir hier raus, solange es noch geht. Lorraine hat Verwandte in Tulsa, und si Dios quiere kommen wir unterwegs auch irgendwie an Benzin.«
    »Danke, dass du uns Bescheid gesagt hast«, meinte Alex. »Du und Tante Lorraine, ihr habt uns mit den Vorräten aus der Bodega das Leben gerettet. Ich hoffe, ihr kommt ohne größere Zwischenfälle dort an.«
    »Das hoffe ich auch«, sagte Onkel Jimmy. »Aber eigentlich bin ich hier, weil – ich meine, wir wären natürlich auch sonst nicht einfach so verschwunden –, also, Lorraine und ich haben uns überlegt, dass wir Briana gern mitnehmen würden. Normalerweise würden wir euch alle mitnehmen oder wenigstens die beiden Mädchen,

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