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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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zulassen.«
    »Oh, toll«, sagte Kevin. »Das ist mir wirklich ein Trost.«
    »Wenn du das wirklich glaubst«, sagte Alex, »also, dass wir bald alle sterben, warum bist du dann hier? Ich meine, jetzt und hier, an dieser Stelle, in einer Warteschlange für Lebensmittel, die du nicht mal essen wirst?«
    »Ich muss schnell noch ein paar Pluspunkte für den Himmel sammeln«, antwortete Kevin. »Du bist wahrscheinlich meine letzte gute Gelegenheit.«
    »Wenn du mich hier auf den Arm nimmst, dann bring ich dich um«, sagte Alex. »Du findest das alles vielleicht furchtbar lustig, aber ich hab zwei Schwestern, für die ich sorgen muss.«
    »Weiß ich doch«, sagte Kevin. »Die sind dann deine Eintrittskarte für den Himmel. Und nein, ich nehm dich nicht auf den Arm. Frag Pater Mulrooney. Frag, wen du willst. Du bist anscheinend der Einzige, der noch nichts davon gehört hat.«
    Er wandte sich an die Frau, die hinter ihm in der Schlange stand. »Verzeihung«, sagte er, »aber mein Freund hier will nicht glauben, dass gerade überall die Vulkane ausbrechen und Asche in die Atmosphäre schleudern. Haben Sie davon gehört?«
    Die Frau nickte. »Das kommt doch ständig in den Nachrichten«, sagte sie. »Im Westen sind sie alle hochgegangen, da hat es viele Tote gegeben. Am schlimmsten war es wohl im Yellowstone Park. Und die Asche ist so heiß, dass sie alles in Brand setzt, und dadurch gibt es dann noch mehr Tote. Feuer und Rauch und Lava. Zum Glück ist das alles weit weg von hier, aber ich hab gehört, dass der Himmel hier deshalb so komisch grau ist. Dass es nun auch noch kalt werden soll, wusste ich nicht, aber jetzt, wo du’s sagst, fällt mir auf, dass es die letzten Tage ganz schön kalt war für Juli. Dabei war es vorher doch noch so heiß. Der heißeste Sommer, an den ich mich erinnern kann, aber das war vielleicht nur Zufall. Ich mein, warum sollte der Mond für eine Hitzewelle sorgen?«
    Alex versuchte immer noch, sich einzureden, dass Kevin ihn bloß an der Nase herumführte, dass diese Frau, die einfach nicht den Mund halten wollte, Kevins Mutter war oder seine Kinderfrau oder sonst jemand, den er extra dafür engagiert hatte, ihm Angst einzujagen.
    »Nicht nur hier in New York«, sagte er.
    »Nein«, sagte Kevin. »Auf der ganzen Welt.«
    »Und keine Sonne mehr, für Monate, vielleicht sogar Jahre?«
    »Vielleicht für immer«, sagte Kevin.
    Julie hatte Recht gehabt. Sie hatte verdammt noch mal Recht gehabt. Die Sonne war gestorben, und mit ihr würde auch die Menschheit sterben.
    »Nein!«, sagte er scharf. »Das glaube ich nicht.«
    »Okay«, sagte Kevin besänftigend. »Dann eben nicht für immer.«
    »Nein, ich meinte, ich glaube nicht, dass wir alle sterben werden«, sagte Alex. »Die Welt ist voller Einsteins und Galileos. Die werden doch wohl eine Lösung finden.« Er hielt inne, als ihm einfiel, wie sicher er sich gewesen war, dass diese großen Geister es schaffen würden, den Mond an seinen alten Platz zu verfrachten. Jetzt mussten sie sich auch noch mit der Vulkanasche herumschlagen.
    »Mein Reden!«, mischte sich die Frau wieder ein. »Die sind bestimmt schon dran. Klar, im Westen sind viele umgekommen, das ist wirklich schlimm, aber wir haben schließlich auch gelitten, mit Flutwellen und Cholera und allem. Und die Wissenschaftler tun bestimmt, was sie können. Auch wenn wir vielleicht nicht verstehen, wie das gehen soll – Physik war noch nie meine Stärke –, aber bestimmt arbeiten schon jede Menge Leute an der Lösung. Da ist es nur eine Frage der Zeit, wann alles wieder normal sein wird.«
    Alex war nicht sicher, ob er überhaupt noch wusste, was normal war und was nicht. Nur eines wusste er genau: Solange er und seine Schwestern genug zu essen hatten, würden ihm die Vulkane keine schlaflosen Nächte bereiten.
    Dienstag, 19 . Juli
    »Ich seh mal nach der Post«, sagte Alex nach der Schule zu Julie. Die Briefkästen hingen im Erdgeschoss, und Alex hatte sie wochenlang gemieden, weil bestimmt sowieso nur Rechnungen drin waren, die er nicht bezahlen konnte. Doch seit die Nonne am Telefon angekündigt hatte, für die Anrufe im Kloster würden Termine verschickt, hatte Alex täglich nachgeschaut, aber der Briefkasten war immer leer gewesen.
    Heute waren jedoch gleich zwei Postkarten drin. »Und?«, fragte Julie. »Von wem sind die?«
    »Die hier ist von Carlos«, sagte Alex. »Ohne Datum. Da steht nur: ›Mir geht’s gut. Sind auf dem Weg nach Texas.‹« Er sah auf den Poststempel. 14 . Juni.

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