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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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weitererzählst, was ich gerade gesagt habe, dann bring ich dich um.«
    »Keine Sorge«, sagte Alex. »Ist doch eh keiner mehr da, dem ich das erzählen könnte.«
    »Auch wieder wahr«, sagte Kevin.
    Alex erinnerte sich an eine Nacht, kurz nachdem sie in die 88 th Street gezogen waren, als er ins Bett gemacht hatte. Weinend vor Kummer und Scham war er ins Schlafzimmer seiner Eltern gelaufen.
    Sie waren mit ihm in sein Zimmer zurückgegangen und sein Vater hatte ihm geholfen, einen frischen Schlafanzug anzuziehen, während seine Mutter die Bettwäsche gewechselt hatte. Carlos war aufgewacht und hatte Alex ein Baby genannt, aber Papá hatte gesagt, er solle still sein, denn ihm, Carlos, sei das früher auch passiert, und zwar nicht nur einmal. Dann hatte Papá Alex ins obere Bett gehoben und seine Eltern hatten ihm beide einen Gutenachtkuss gegeben.
    Das Gefühl des Verlusts und des Zorns traf ihn wie eine Faust in den Magen, und er wäre fast vornübergekippt.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Kevin.
    Alex hätte gern Nein gesagt, nichts war in Ordnung und nichts würde je wieder in Ordnung sein. Er fühlte Wut und Verbitterung, und für einen Moment stand Kevin ganz oben auf der Liste der Dinge, die er hasste, denn Kevin hatte zu essen, ein Zuhause und Eltern.
    »Ja, alles in Ordnung«, sagte er stattdessen. »Hab wohl was Falsches gegessen.«
    Freitag, 14 . Oktober
    Zu dem Zeitpunkt, als er Julie von der Schule abholen musste, war Alex’ Laune bereits auf dem Tiefpunkt angelangt. Vor ihrem Haus türmte sich ein halbes Dutzend frische, halb nackte Leichen, von denen keiner wusste, ob sie jemals weggeräumt würden, was zur Folge hatte, dass man quasi durch Ratten hindurchwaten musste, um überhaupt aus der Tür zu kommen.
    Kevin, Julie und er hatten am Morgen fünf Stunden lang in der Schlange gestanden, bei eisigem Wind und Temperaturen weit unter null. Kevin hatte Julie danach zur Schule gebracht, während Alex die drei Lebensmitteltüten, in denen kaum noch etwas drin war, die zwölf Etagen zu ihrer Wohnung raufschleppen musste, weil es keinen Strom gab. Dann hatte er ein paar Sachen mitgenommen, um sie bei Harvey einzutauschen, und obwohl er nicht viel dafür bekommen hatte, musste er auch das wieder zwölf Etagen nach oben tragen. Bri hatte den Vormittag in der Wohnung verbracht, ohne den elektrischen Heizlüfter oder die Heizdecke benutzen zu können, eingemummelt in ihren Schlafsack. Er hatte ihr eine Dose Mischgemüse aufgemacht und sie mit dem Löffel gefüttert, damit sie ihre Arme im Schlafsack lassen konnte. Als er endlich in der Schule ankam, hatte Pater Mulrooney ihm die volle Augenbrauen-Breitseite verpasst, so dass er den restlichen Vormittag über befürchtet hatte, man würde ihm wieder das Mittagessen verweigern. Vom Lesen bei sehr schwachem Tageslicht taten ihm die Augen weh, und obwohl der Thermostat in der Schule auf dreizehn Grad stand, wich die morgendliche Kälte nicht aus seinen Knochen.
    Für den nächsten Tag war er wieder mit Kevin zum Leichen-Shopping verabredet, aber er war skeptisch, was sie überhaupt noch für ihre Beute bekommen würden, denn Uhren waren nicht mehr gefragt und sogar Schuhe und Mäntel brachten längst nicht mehr so viel ein wie früher. Aber wenigstens hätte er damit einen Vorwand, die Wohnung zu verlassen, statt den ganzen Tag zu Hause eingesperrt zu sein, mit seinen Schwestern, und nichts zu tun.
    Bri bestand immer noch darauf, jeden Sonntag die Messe zu besuchen, wodurch sowohl der Hinweg, die zwölf Stockwerke hinunter und zur Kirche, als auch der Rückweg eine gute halbe Stunde länger dauerten. Auf jedem Treppenabsatz mussten sie warten, bis Bri wieder zu Atem gekommen war, und oft musste sie mehrmals ihren Inhalator benutzen, bevor der Aufstieg geschafft war. Aber für Bri war es die einzige Gelegenheit, aus dem Haus zu kommen, und Alex brachte es nicht übers Herz, ihr das zu verbieten. Dass Julie ständig vorausrennen wollte, was Alex aber nicht zuließ, machte die Sache nicht besser. Soweit er es beurteilen konnte, hatten sie das Gebäude inzwischen für sich allein, aber es konnte sich natürlich trotzdem jemand im Treppenhaus herumtreiben, deshalb wollte er Julie lieber nicht allein hinaufgehen lassen. Und so verbrachte Julie ihre Sonntagnachmittage mit Schmollen, während Bri nach Luft rang und fortwährend versicherte, es gehe ihr bestens, und Alex musste auch noch Verständnis heucheln, wo er doch am liebsten einfach davongerannt wäre.
    Als er jetzt

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