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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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Nicht, dass Aussehen heutzutage noch irgendeine Rolle spielte. Die Jungen und Mädchen tanzten reihum miteinander, und sogar Pater Mulrooney machte mit und wagte ein Tänzchen mit Julie.
    »Ich will euch nicht verschweigen, dass ich in meiner Jugend ein begeisterter Swing-Tänzer war«, sagte er. »Aber diese neumodischen Sachen, Walzer zum Beispiel, finde ich immer furchtbar anstrengend.«
    »Aber Walzer ist doch nicht neumodisch«, sagte Lauren.
    »Nein, mein Kind«, sagte Pater Mulrooney. »Das war nur die Ausrede eines alten Mannes.«
    Bri musste aufhören zu tanzen und ihren Inhalator benutzen. Alex hatte schon Sorge, das könnte ihr peinlich sein, aber Tony erklärte, er habe auch Asthma, und dann setzten sich die beiden aufs Sofa und unterhielten sich leise darüber. Vom Tanzen in dem kleinen Raum war allen so warm geworden, dass sie ihre Mäntel ausgezogen hatten. Beim Anblick von Bri und Tony, wie sie zusammen auf dem Sofa saßen, so angezogen, wie man früher eben angezogen war, wurde Alex vor Wehmut fast schwindelig.
    »Zeit für eine kleine Erfrischung«, rief Kevin und ging in die Küche. »Möchte jemand eine Cola?«
    »Eine Cola?«, kreischten die Mädchen aufgeregt.
    »Ich hol die Becher«, sagte Bri, und wie aus dem Nichts tauchten Pappbecher auf.
    »Die habe ich beigesteuert«, sagte Tony. »Kevin hat mir Anweisungen erteilt, und ich habe sie genauestens ausgeführt.«
    »Ich würde es begrüßen, wenn Sie das auch mal bei mir im Lateinunterricht täten«, brummte Pater Mulrooney und alle lachten.
    Kevin schenkte jedem einen Becher Cola ein. »Auf Julie«, sagte er dann. »Auf ein glückliches und erfülltes Leben!«
    Alle hoben ihre Becher und riefen: »Auf Julie!«
    Obwohl die Cola warm war, war sie wie die Musik auf Tonys CD eine Erinnerung daran, wie ihr Leben noch vor wenigen Monaten ausgesehen hatte.
    »Und jetzt kommt was ganz Besonderes«, sagte James. »Na ja, jedenfalls hoffe ich, dass es was Besonderes geworden ist, aber ich garantiere für nichts.« Er verschwand in der Küche, und als er kurz darauf wieder ins Wohnzimmer kam, trug er einen Geburtstagskuchen vor sich her, auf dem dreizehn Kerzen brannten.
    »Zum Geburtstag viel Glück«, sangen alle. »Und jetzt musst du die Kerzen auspusten, Julie, und dir etwas wünschen!«
    Julie kniff die Augen zusammen, öffnete sie dann wieder und blies die Kerzen aus. Sie brauchte mehrere Anläufe, und Alex versuchte sich einzureden, dass es an den vielen Kerzen lag und nicht daran, dass sie so geschwächt war.
    »Ein Schokokuchen!«, rief Julie, als sie ihn anschnitt. »Ein Schokokuchen mit Schokoglasur. Oh, James, wo hast du den denn aufgetrieben?«
    »Ehrlich gesagt habe ich den gar nicht aufgetrieben«, sagte James. »Das ist bloß eine alte Backmischung, die bei uns noch herumlag. Das Backen war allerdings ziemlich aufregend. Wir haben nämlich einen E-Herd, und die spannende Frage war, ob es lange genug Strom geben würde, um ihn fertig zu backen, aber es hat wohl so eben gereicht. Innen ist er vielleicht noch ein bisschen matschig, aber besser ging’s nicht.«
    »Das ist der schönste Geburtstagskuchen, den ich je bekommen habe«, sagte Julie. »Kaum zu glauben, dass deine Familie auf einen richtigen Kuchen verzichtet hat.«
    Das konnte Alex auch nicht recht glauben. Er fragte sich, wie viele Paar Schuhe es Kevin wohl gekostet haben mochte, diese Backmischung zu besorgen, und er war dankbar, dass sein Freund die Sache so eingefädelt hatte, dass niemand an die Menschenleben denken musste, die dieser schlichte, etwas matschige Kuchen gekostet hatte.
    Aber schon beim ersten Bissen verschwand jeder Gedanke an Leichen und Tod. Das ist ein Wunder, dachte Alex. Schokokuchen und Cola und Musik und zwei Schwestern, die so jung und schön aussahen – das war einfach ein Wunder.
    »Tony hat die Pappbecher mitgebracht und James den Kuchen«, sagte Kevin. »Also war ich für das Geschenk zuständig. Herzlichen Glückwunsch, Julie. Viel ist es nicht, aber ich hoffe, es gefällt dir.« Er reichte ihr ein kleines Päckchen, das in übrig gebliebenes Weihnachtspapier gewickelt war.
    Julie faltete es so behutsam auseinander, als wäre es aus purem Gold. Unter der Verpackung kam eine Schicht Papiertaschentücher zum Vorschein, und dazwischen lag ein Lippenstift.
    »O mein Gott!«, kreischten die Mädchen. »Julie, das ist genau deine Farbe. Los, probier ihn mal aus.«
    Julie sah Alex an. »Darf ich?«, fragte sie.
    »Nur, wenn du mir den letzten Tanz

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