Die Vermessung der Frau
noch stabilisiert statt verändert.
Für Feministinnen besonders tragisch ist, dass sie mit ihrem Wunsch nach Selbstständigkeit und der Menschwerdung der Frau diese neuen Märkte beflügeln, weil gerade die Reproduktionsmedizin die Nachfrage berufstätiger und älterer Frauen befriedigt. Die Vermesser dieser Welt missbrauchen genau diesen Zusammenhang, um den Frauen Feminismus vorzugaukeln, wo in Tat und Wahrheit klassische Verfügungsmacht über die weiblichen Körper praktiziert wird. In diesem Licht ist auch die Diskussion um Frauenquoten zu sehen. Frauenquoten in den oberen Etagen der Macht ändern nur etwas an der Machtverteilung, wenn sie mit einer grundsätzlichen Reform des Finanz- und Wirtschaftssystems vollzogen werden. Werden Frauenquoten ohne Reformen eingeführt, dient dies nur der Macht des Geldbeutels und bringt keineswegs die Feminisierung der Macht. Frauenquoten passen in den Trend, die Menschen zu reinen Funktionsträgern umzuformen und zwar auf allen menschlichen Ebenen, von der Kultur bis direkt in den Körper hinein. So ist auch der Niedergang des Mannes zu erklären. Es ist nicht die tatsächliche Macht der Frauen, die den Niedergang der Männer beschleunigt, sondern die Macht des Geldes, welche sich des Frauenkörpers bemächtigt und den der Männer zerstört.
1932 schrieb Aldous Huxley in seiner »Schönen neuen Welt« eine sehr aussagekräftige Szene. Da trifft eine Gruppe junger Studentinnen und Studenten auf Mustafa Mond, den Weltaufsichtsrat für Westeuropa. Dieser erklärt ihnen die Geschichte des neu geschaffenen, schönen, technisch-medizinisch perfekten Weltstaates und preist dessen Erfolge. Erfolge, die im Vergleich mit historischen Anmerkungen zur Geschichte der Wilden, sprich zu unserer europäischen Aufklärungsgeschichte, besonders großartig ausfallen. Kichernd hören die Studis voller Erstaunen über ihre menschliche Vergangenheit im Dreck, voll lächerlichem Mitgefühl, voll von Sterben sowie schlimmen Krankheiten, ordnungszerstörenden Revolutionen, lächerlicher Chancengleichheit, romantischer Liebe, freien Wahlen, Chaos und den Beziehungen zwischen Vater, Mutter und Kindern aus alten Zeiten.
Der Ton, in dem Aldous Huxley seinen Wissenschaftler reden lässt, erinnert mich jedes Mal an die Protokolle real existierender Ethik-Kommissionen, die sich mit Fortpflanzung, rechtlichen Rahmenbedingungen zur Elternschaft, hygienischen und gesundheitlichen Grundvoraussetzungen, technischmedizinischen Fortschritten, politischen Rahmenbedingungen etc. beschäftigen. Es ist ein Tonfall, der neutral gehalten ist, die Argumente sind faktenbezogen, statistisch legitimiert und objektiv, cool. Wer jedoch noch über etwas menschliches Urteilsvermögen verfügt, schaudert.
Die technisch-medizinisch-soziologische Einordnung der Menschen im Hinblick auf ihre Gesellschaft und ihre Politik lässt immer wieder ahnen, was alles passiert kann, wenn wir Menschen nicht als Menschen, sondern als Spezies behandelt werden, deren Körper den einzigen gemeinsamen Ausgangspunkt für das Zusammenleben ausmacht.
Aldous Huxley beschreibt den souveränen, globalisierten und modernen Staat: Mittels biochemischer und medizinischer In-vitro-Auswahlverfahren, durch schichtspezifische Erziehung ergänzt,
organisiert dieser Romanstaat alle Menschen von ihrer Zeugung bis zum Tode. Kommt Ihnen das nicht bekannt vor?
Wie sind all die US-amerikanischen Elitekinder einzuordnen, die als Wunschprodukte künstlich gezeugt, schon im Babyalter in die richtigen Krippen und Kindergärten geschleppt, mit einer chinesischen Nanny auf den Weltmarkt richtig vorbereitet, später auf der Elite-High-School für die Elite-Universität vorgeformt werden? Sind solche Biographien, die uns dann in Europa als Vorbilder gepriesen werden, wirklich so unterschiedlich von Huxleys Dystopie, sprich Horrorvision?
In der »schönen neuen Welt« sind Menschen nicht Menschen, sondern entscheidungsunbefugte Rollen- und Systemträger. Aufrechterhalten wird die Welt durch die Droge »Soma«. Soma bedeutet so viel wie Körper. Die Menschen verlieren also via Körperdroge ihre Menschlichkeit.
Soma erinnert an Ritalin. Ritalin wird mittlerweile an europäischen Schulen an aufsässige, wilde, unkonzentrierte, meist männliche Kinder abgegeben. Ritalin ist das Wundermittel für gesellschaftliche Integration. Es bremst den ungebrochenen Freiheits- und Bewegungsdrang und verhindert asoziale Ausbrüche. Ritalin organisiert in unserer Gesellschaft
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