Die Vermessung der Frau
sozialen Kindergartenfrieden.
Aldous Huxley war seiner Zeit weit voraus. Und präzise wie selten einer. Zu seinen vehementen Angreifern meinte er einmal: »Wer so tut, als bringe er die Menschen zum Nachdenken, den lieben sie. Wer sie wirklich zum Nachdenken bringt, den hassen sie.«
Die 2013 amtierende Familienministerin Schröder ist nicht bekannt für ihre feministischen Aussagen. Umso erstaunlicher war es, als sie in einem Interview dafür plädierte, nicht mehr »der Gott« zu sagen, sondern »das Gott«. Die feministischen Linguistinnen jubelten, mir blieb »das Käse« (mitsamt den Löchern) im Hals stecken. Denn was Frau Schröder hier vermeintlich feministisch propagiert, ist – bei näherem Hinsehen – eine Versachlichung aller menschlichen und göttlichen Zusammenhänge. »Das Gott« ist dann eine Sache wie »das Mensch« und kann dem Höchstbietenden verkauft werden. Also aufgepasst: Wer »das Gott« so toll findet, passt in eine Welt ohne Werte, ohne Orientierung, ohne historisches Bewusstsein, ohne Machtkontrolle, ohne kritischen Verstand. Das heißt nicht, dass ich das Nachdenken über Sprache à Ludwig Wittgenstein vernachlässigbar finde, doch wenn Frauen über »das« zu sprechen beginnen, die Feminismus kaum buchstabieren können und die Demokratie voll in den Dienst der galoppierenden Finanzindustrie stellen wollen, werde ich skeptisch. Gleichzeitig bin ich durchaus der Meinung, dass als Gott Adam schuf, sie lediglich für das bessere Modell übte.
Frau Schröder hat mich inspiriert, darüber nachzudenken, was die Vermessung nicht nur mit der Sprache, sondern mit den Frauen insgesamt anrichtet.
Ich war als Teilnehmerin zu einer hochkarätigen Frauenkonferenz in München 2012 eingeladen. Es handelte sich dabei um ein klassisches Managerinnentreffen mit lauter selbstsicheren und gutgekleideten Frauen. Alle waren schlank. Alle! Es ist selbstredend, aus welcher Schicht die Frauen stammten – Neuperlach
oder Neukölln (wieso heißen eigentlich die schrägsten Quartiere immer »neu«?) waren nicht dabei. Frau Ministerin von der Leyen war dafür da und gab in gewohnt frischer Manier ihr Bekenntnis zur Frauen- und Kinderkrippenförderung ab. Überall redeten die Frauen von Ergebnisorientiertheit, Balance, Struktur, Wellness und Frauenpower. Frauenförderung klang an dieser Konferenz wie das tägliche Fitnessprogramm und hatte wenig mehr damit zu tun, was unsere Großmütter meinten, wenn sie gleiche Rechte für Mann und Frau forderten. Die Begriffe schwirrten so stark als Worthülsen, dass ich mehr und mehr zu frieren begann. Denn hinter den Klischees von Vielfalt, Quoten und Sichtbarkeit standen allesamt ähnlich frisierte, gestylte Frauen. Selten habe ich so viele kühle, distanzierte, kontrollierte und bindungsscheue Frauen getroffen. Da wurde taxiert, nachgeschminkt, Nägel poliert, hin- und hergetrippelt und zwischendurch zu Referaten geklatscht, die Allgemeinplätze wie »Männer sind out, Frauen sind in« oder »Die Zukunft ist weiblich« bedienten.
Es gab also auf besagter Frauenkonferenz viele schön anzusehende »Automaten«, deren Energie voll darauf ausgerichtet war, um keinen Preis unkontrollierte Weiblichkeit, Rundheit, Weichheit, unfrisierte Haare oder gar Menschlichkeit preiszugeben. Wie denn auch, in diesem engen Kostüm von Karl Lagerfeld? Misstrauisch beäugten alle einander. »Du bist die Schönste hier, aber Schneewittchen ist tausendmal schöner als Ihr.« Gelächelt wurde nur, wenn zufällig der Fotoapparat auf die betroffene Frau gerichtet war, und das Lächeln reichte bestimmt nie bis zu den Augen. Wohl deshalb wurden nirgends so viele Beine und Schuhe wie an diesem Treffen fotografiert und nach der Konferenz ins Netz gestellt – denn die Fotografen waren vorwiegend Männer, und selbst die spürten ganz klar: Hier stehen nicht die Menschen im Vordergrund, sondern die Dinge. Das ganze Ambiente zeugte von einer menschlich-kalten Starre, wie sie dies nur Frauen mit Präzision über Jahrzehnte eingeübt haben, dies teilweise mussten, aber unfassbar gut darin
sind. Vordergründig klang alles nach »Frauenpower«, doch hinter der Fassade schienen Frauen zu stecken, die genau berechnen, wie sie in dieser entfremdeten Businesswelt zielstrebig genau das erreichen können, was sie von Kindesbeinen an gelernt haben: Nur ja niemandem – außer dem Spiegel – zu vertrauen. Ach ja: Bettina Wulff war auch da. Es war klar: Selbst im so gleichgestellten Westen (hüstel) zeigt das
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