Die Vermessung der Frau
0 bis 10 ziemlich schnell einsortiert. Die Vorträge auf den entsprechenden Konferenzen gleichen diesen Frauen. Sie sind wenig charismatisch, normiert, kartographiert und in Powerpoint gegossen. Es stehen da unzählige Thesen, die schön aussehen, aber nichts aussagen. Rating ist in – kritisches Denken out.
Viele Frauen verkörpern exakt die Bindungslosigkeit, die Distanz, die kühle Sachlichkeit der bösen Königin von Schneewittchen im Anfangsstadium. Sie sind die Drohnen, deren Target die Auslöschung der eigenen Subjektivität und Weiblichkeit ist. Die Anpassung an Herrschaft ist ihnen zur zweiten Haut geworden. Sie haben sich ihre Strategien von den Männern abgeguckt, beherrschen ähnliche Worthülsen, die schon seit Jahrzehnten bei derartigen Männerkonferenzen ununterscheidbar sind, und scheinen genau dafür Karriere machen zu wollen.
Überall wird der Wunsch nach mehr Frauen in Führungspositionen geäußert. Selbstverständlich! Doch wollen wir die bösen Königinnen überhaupt? Klar doch! Es wäre nur gerecht, dass Frauen auf hohen Posten ebenso schlecht sein dürfen wie die Männer. Doch trotzdem erfüllt mich ein Unbehagen, das ich bei
der Forderung nach einer Frauenquote vor 20 Jahren noch nicht gespürt habe. Diese Frauen erfüllen jede Spiegel-Anforderung. Sie sind intelligent, gutaussehend, organisiert. Sind wir indessen sicher, was sie tun werden, wenn der Spiegel unbarmherzig meint: »Du bist die Schönste hier, aber Schneewittchen ist noch tausendmal schöner als ihr«?
Mehr Frauen sind überall erwünscht – aber um welchen Preis? Frauen in Machtpositionen sind dann oft nicht einfach die besseren Männer, sondern die um einiges härteren Menschen. Gertrud Höhler beschreibt dies in »Die Patin« eindrücklich am Beispiel der Bundeskanzlerin, die, wenn auch nicht ganz so gestylt, doch den meisten Frauen, die in Deutschland erfolgreich die steile Männerleiter erklimmen, bezüglich Kälte, Machtanspruch und Distanz ein Vorbild ist. Die von der Kulturphilosophin Christina Thürmer-Rohr schon vor Jahren festgestellte »Mittäterschaft der Frauen« versteckt sich dann gerne hinter einer inszenierten Frauensolidarität – die böse Königin verkleidet sich als nette Marktfrau, die Äpfel verkauft –, welcher es aber unter dem Strich um nichts anderes geht als den eigenen, persönlichen Machtvorteil.
So irrt deshalb die amerikanische Autorin Hanna Rosin, wenn sie meint, das Ende der Männer stehe vor der Tür, und der Aufstieg der Frauen sei unaufhaltsam. Denn es geht beim Aufstieg der Frauen nicht um den Sieg der Weiblichkeit, über den der Frauen als Subjekte, sondern wohl eher darum, dass Frauen in der modernen Wirtschaft nun die besseren Männer sind. Die Frauen steigen auf, weil der Kapitalismus nach den systemimmanentesten Köpfen sucht, egal, ob diese auf einem weiblichen oder männlichen Körper sitzen. Hanna Rosin bringt jedes Mutterherz zum Bluten, wenn sie ihre eigene Tochter mit den Worten lobt: »Am Abend, bevor sie zu Bett geht, macht sie sich eine Liste, was sie am nächsten Tag oder im Lauf der Woche tun muss, (...) Klavier üben, die Blockflöte putzen, Aufsatz in Spanisch schreiben.« Welchen Automaten hat sich denn Rosin
hier angezüchtet? Noch schlimmer ist Hanna Rosins Ausfall gegen ihren eigenen Sohn: »als wir über die Schule sprachen, schweiften die Jungen schnell ab. Sie kamen auf Actionhelden zu sprechen und begannen, ›Jäger des verlorenen Schatzes‹ nachzuspielen (...) Man sagt einem Jungen, was er tun soll, und er beginnt bereits, Fluchtpläne zu schmieden.« (Hanna Rosin, Das Ende der Männer und der Aufstieg der Frauen, S. 219) »Göttin sei Dank – ein normales Kind«, möchte ich hier Frau Rosin laut zurufen!
Wie schreibt Peter Sloterdijk in seiner unnachahmlich direkten Art in seinen Tagebuch-Notizen nach seiner Sendung »Philosophisches Quartett«? »Die Sendung zur Krise mit dem Marquardschen Titel: Die Kunst, es nicht gewesen zu sein, gelang gerade so halbwegs. Bodo Kirchhoff überzeugte deutlich mehr als Beatrice Weder de Mauro, die ›Wirtschaftsweise‹, die durchweg sehr vorsichtig, unpointiert und ex officio redete. Sie hatte überdies ein klassisches Neo-Primadonna-Schema im Gepäck; einerseits vom Frauenbonus maximal profitiert zu haben, andererseits in der privilegierten Lage zu sein, jeden Hinweis auf ihre Vorzugsrolle in einer Männerwelt strikt ablehnen zu dürfen. Es sind jetzt mit einem Mal die erfolgreichen Frauen, die uns mit der
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