Die Vermessung der Frau
Deshalb müssen sich Teenager vor allem in Shoppingcentern treffen, wo es nichts umsonst gibt. Das Verschwinden öffentlicher Räume fällt mit den Privatisierungsbestrebungen für Wasser, Luft, Boden, Bildung, Gesundheit etc. zusammen.
9) »Jäger und Sammler«: Seit Carola Meier-Seethalers bahnbrechendem Werk »Ursprünge und Befreiungen« sowie den klugen Zusammenfassungen von Alice Schwarzer sollten eigentlich alle wissen, dass geschlechterbinäre Geschichtsschreibung für die Zeit der »Jäger und Sammler« mehr Phantasie als Wissenschaft ist. Die meisten Werke zur Frühzeit des Menschen projizieren das Heute auf das Gestern, so als hätten die Frauen schon vor 7000 Jahren nichts anderes getan außer Mammuteintopf kochen.
10) »Setzen sich die Forschungen auch in den nächsten Jahren so erfolgreich durch?«: Bestseller wie die von Hanna Rosin oder Catherin Hakim verankern den Geschlechterdeterminismus in der Gesellschaft. Damit entpolitisieren sie den Kampf der Frauen und Männer um Gleichberechtigung und Chancengleichheit. So ist es selbstverständlich, dass beide Autorinnen insbesondere bei der neuen Klasse von Managerinnen besonders gut ankommen. Frauenpower bedeutet in dem Zusammenhang vor allem, dass die Reichen reich bleiben sollen und die Armen arm. Zahlreiche Studien belegen, dass sich Menschen eher durch Einkommen, Bildung und Sprache unterscheiden als durch ihre Geschlechtszugehörigkeit. Doch mit Geschlechterunterschieden lässt sich kräftig Kasse machen, mit der Forderung nach Bildungs- und Sozialprogrammen nicht, siehe Gaschke.
ADLERS LEBENSLÜGE ALS WELLNESS-PROGRAMM
1) »Weshalb erfreuen sich die Studien so großer Popularität?« Hier die Antwort von Laurie Penny: »Wenn alle Frauen dieser Erde morgen früh aufwachten und sich in ihren Körpern wirklich wohl und kraftvoll fühlten, würde die Weltwirtschaft über Nacht zusammenbrechen.« Fleischmarkt, S. 9.
2) »Adlers Lebenslüge«: Die Lebenslügen sind Teil unseres Medien-, Politik- und Finanzsystems. Die »Herrschaft des Niemands« (Stämpfli) ist seit der Finanzkrise 2007 das übliche Muster politischer Verantwortungslosigkeit. Aufgrund von »Sachverhalten«, »Systemzwängen« und diverser anderer »Logiken« werden Urteilskraft und Verantwortung ins Reich der Illusionen verschoben. Angela Merkel hat mit ihrer Betonung der »marktkonformen Demokratie« das Unwort des Jahres 2012 geliefert, ohne dass es auf das untersucht wurde, was es ist: Die Lebenslüge einer politischen Verantwortungslosigkeit. Vladimir Putin redet im Gleichzug von der »gelenkten Demokratie«. Beide Begriffe haben mit Demokratie nichts zu tun. Hannah Arendt denkt in ihrem Werk »Eichmann in Jerusalem« über Verantwortung nach: »Uns gehen hier nur Ihre wirklichen Handlungen etwas an. Und weder die möglicherweise nichtverbrecherische Natur Ihres Innenlebens und Ihre Motive noch die möglicherweise verbrecherischen Neigungen Ihrer Umgebung. Sie haben sich, als Sie Ihre Lebensgeschichte erzählten, als einen Pechvogel dargestellt, und in Kenntnis der Bedingungen, unter denen Sie lebten, sind wir bis zu einem gewissen Grad sogar bereit, Ihnen zuzugestehen, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass Sie unter günstigeren Umständen je in diesem oder einem anderen Strafprozess als Angeklagter erschienen wären. (...) so bleibt doch die Tatsache bestehen, dass Sie mithalfen, die Politik des Massenmordes auszuführen und also diese Politik aktiv unterstützt haben. Denn wenn Sie sich auf Gehorsam berufen, so möchten wir Ihnen vorhalten, dass die Politik ja nicht in der Kinderstube vor sich geht und dass im politischen Bereich der Erwachsenen das Wort Gehorsam nur ein anderes Wort ist für Zustimmung und Unterstützung.« Hannah Arendt, Eichmann in Jerusalem, S. 403 und 404.
3) »Sie weisen die Verantwortung«: Wer wie die führenden Neurobiologen behauptet, den freien Willen gäbe es nicht, macht in erster Linie Politik und nicht Wissenschaft.
4) »Ich kaufe, also bin ich«: Zygmunt Baumann beschäftigt sich schon seit Jahren mit der flüssigen und flüchtigen Moderne, die nach seinen Untersuchungen vor allem durch die Konsumkultur geprägt ist. In seinem »Leben als Konsum« beschreibt er das Kaufen als wesentlichen Bestandteil nicht nur des Marktes, sondern auch der persönlichen Identitäten und Vorstellungen.
Menschen konsumieren und werden konsumiert. Spannend ist wie Zygmunt Baumann zeigt, dass der moderne Staat keine Bürger und Soldaten, sondern vor allem
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