Die Vermessung der Frau
über ein Gedächtnis, siehe Joachim Bauer.
KÜSSEN MÄNNER ANDERS?
1) »Ob es sich um das Paarungsverhalten«: Die grundlegenden Fragen der politischen Philosophie drehen sich um das Menschenbild: Was ist der Mensch und wie sollte er sein? Gut, schlecht, funktional, im Wesentlichen weiblich oder männlich, nur durch Worte existierend, manipulierbar, bestialisch, anpassungsfähig, von Hormonen geleitet, ungleich, gleich, von Blut getrieben ... etc. In meinem Kapitel »Küssen Männer anders?« verbinde ich die Frage nach dem Menschenbild mit den heutigen Erscheinungsformen und den herrschaftsgültigen Erklärungen. Jedes politische System zieht aus einem bestimmten Menschenbild seine Legitimität, siehe Stämpfli, Stummbürger. In allen Diskussionen wird, ohne dies zu kennzeichnen, dann auf bestimmte, unhinterfragte Menschenbilder rekurriert. In der Politik dominieren seit Jahren die Argumente, dass dies oder jenes Modell, meistens die Demokratie, nicht richtig funktionieren könne, weil der Mensch ja so und nicht anders sei. Besonders beliebt ist das Vorurteil, dass »der Mensch« egoistisch, geldgierig und machtbesessen sei. Ich argumentiere für eine kritische Reflexion des herrschenden Diskurses, der sich in Deutschland gerne und immer noch häufig auf das Menschenbild von Thomas Hobbes »homo homini lupus« bezieht. Es ist ein Diskurs, der sich in den Sozialwissenschaften etabliert hat und von den herrschenden ökonomischen Theorien der Verdinglichung aller menschlichen Zusammenhänge gestützt wird. Dies führt zu einer absurden Medien- und Lebenswirklichkeit, in welcher die privaten, biologischen Eigenschaften der Menschen entscheidender sind als die allgemein menschlichen Erscheinungsformen. Tagtäglich sehen wir dann Politiker, statt dass wir Informationen zu deren Debatten kriegen. In der Demokratie etabliert sich so ein politisches Denken, das im Kern antidemokratisch ist: Der politische Diskurs verschiebt sich von Repräsentation zur Identität, vom Argument hin zum Körper, von Fakten hin zu Umfragen, von Inhalt zu Skandalen. Diese fehlende Unterscheidungskraft wird mittlerweile auch an den Universitäten gelehrt. Besonders stört dabei die Umfragedemokratie, siehe mein Diktum: »Wer die Demokratie vermisst, schafft sie ab«, WAZ, 13.1.2011.
2) »Vermesserwahn«: Das »Sich-Verhalten«, der Konformismus ist an Stelle des Handelns der Menschen getreten. »Auf dem gleichen Konformismus, den die Gesellschaft verlangt und durch den sie handelnde Menschen in sich verhaltende Gruppen organisiert, beruht auch die Wissenschaft, die dem Entstehen der Gesellschaft auf dem Fuße folgte, nämlich die Nationalökonomie, deren wichtigstes wissenschaftliches Rüstzeug die Statistik ist, welche die Berechenbarkeit menschlicher Angelegenheiten bereits als selbstverständlich voraussetzt. (...) Was immer man daher gegen den Behaviorismus und seine Lehren hervorbringen mag, man wird schwerlich seine Relevanz für die Wirklichkeit, in der wir leben, leugnen können. Je mehr Menschen es gibt, desto richtiger werden seine ›Gesetze‹ des Sich-Verhaltens, des ›Behaviors‹, d.h. desto wahrscheinlicher wird es, dass Menschen sich wirklich nur noch so verhalten, und desto unwahrscheinlicher, dass sie solche, die sich anders benehmen, auch nur tolerieren. (...) Denn die statistische Einebnung historischer Prozesse hat längst aufgehört, ein harmloses wissenschaftliches Ideal zu sein; es ist vielmehr seit geraumer Zeit bereits das offenbare politische Ideal einer Gesellschaft, die nichts kennen will als das ›Glück‹ des Alltäglichen und daher in den Gesellschaftswissenschaften mit Recht ›die Wahrheiten‹ sucht und findet, die ihrer eigenen Existenz entsprechen.« Hannah Arendt, V.A.,S. 52-55.
3) »IQ 116«: Seit Jahren wird nach einer Glücksformel für die Ehe gesucht. Häufigstes Argument für den Anstieg von Single-Frauen ist, dass Frauen »nach oben« und nicht »nach unten« heiraten wollen. Eva Illouz plädiert deshalb in ihrem Werk »Warum Liebe weh tut«, dafür, die Elternschaft von der leidenschaftlichen Liebe zu entkoppeln. Auch hier schlägt sich die industrielle Arbeitsteilung direkt im Gefühlsleben der Menschen nieder. Sie schlägt vor, die Erwartungen an den Geliebten von dessen Vaterrolle zu trennen. Das Modell »Vater-Mutter-Kind« sollten nicht als einziger Quell allen Glücks verstanden werden.
4) »Oxytocin«: Das »Liebeshormon« Oxytocin macht seit Jahren eine unglaubliche Karriere. Bei
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