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Die Vermessung der Frau

Die Vermessung der Frau

Titel: Die Vermessung der Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regula Stämpfli
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Fernkontrolle manipulieren. Sie stecken in Dir und mir; sie haben uns geschaffen, als Körper und Geist, und ihre Erhaltung ist der ultimative Grund für unsere Existenz.« Zitate aus Die Welt, 6.11.2006.
3) »Evolutionsbiologe Grammer«: Karl Grammer ist Verhaltensforscher, lebt und lehrt in Wien mit den Forschungsschwerpunkten »Pheromone und Attraktivität«. 1993 publizierte er die populäre Studie »Signale der Liebe. Die biologischen Gesetze der Partnerschaft«. Evolutionsbiologen schließen von äußeren Erscheinungen auf den Verlauf der Geschichte, den Charakter und die moralische Veranlagung der Menschen. Diese Methode, die Darwin als Kind seiner Zeit entwickelt hat, erlebt seit dem Fall der Mauer 1989 ungeheure Popularität. Damit wiederholen sich absurde biologistische Debatten aus dem 19. Jahrhundert wie beispielsweise die Idee, dass Masturbation bei Frauen zum Ausfall von Schamhaaren führen könnte.
4) »Dieter Bohlen, Heidi Klum und Stefan Raab« sind populäre Fernsehmoderatoren in Deutschland.
5) »Medienwahnsinn«: Richard Sennett hat dazu schon 1974 ein immer noch gültiges Standardwerk verfasst. Die »Tyrannei der Intimität« habe ich in meiner »Die Macht des richtigen Friseurs« weiterentwickelt und ergänzt. Heutzutage sind die privaten Eigenschaften, nicht die Handlungen eines Menschen in den Medien entscheidend: Der Körper einer Politikerin erhält
oft mehr Aufmerksamkeit als ihr Wahlprogramm. Dies führt zu einer urteilslosen Beliebigkeitsmaschinerie von Information, die auch an den Universitäten nicht reflektiert wird, siehe dazu Stämpfli, Macht des Friseurs.
6) »Die Welt der Ranglisten«: Die Logik der internationalen Fußball- und Sportwettbewerbe hielt mit dem Fernsehen Einzug in alle gesellschaftlichen und politischen Bereiche: Universitäten (Shanghai-Rating), Städte (Mercer-Rating), Länder (Standard & Poor’s Ratings Services, Moody’s Investors Service und Fitch Ratings), Unternehmen und Banken (auch Standard&Poor’s, Moody’s und Fitch), Politiker und Parteien (Umfrageinstitute), TV (Quoten), Frauen (Miss-Wahlen, GNTM), Intelligenz (IQ), Körper (BMI), Liebe (Partneragenturen) etc. Die in den Ranglisten erhobenen Kriterien sind meist ideologischer und nicht objektiver Natur. Sprachlich besonders entlarvend sind die ECTS-Punkte in der Bologna-Bildungsreform – einer Reform, welche die Bildung der letzten 200 Jahre revolutionierte und nicht einem demokratischen Entscheidungsprozess zustande kam, sondern in den Hinterzimmern der europäischen Bildungsminister beschlossen wurde. ECTS steht für »European Credit Transfer and Accumulation System«, was nichts anderes bedeutet, als dass Bildung nicht mehr ein Allgemeingut, sondern zum Kreditsystem verkommen ist. Es ist nicht erstaunlich, dass sich innerhalb eines derart entleerten akademischen Börsenplatzes seitdem die gefälschten Doktortitel häufen.
7) »Liebe mit Hilfe der Mathematik«: James Murray und John Gottman entwickelten seit 2004 einen »Dow-Jones-Index für Ehekonversation«, mit welchem sie behaupten, die Dauer und Stabilität einer Ehevoraussagen zu können. Dabei stützen sie sich auf banalste Erkenntnisse, dass Paare, wenn sie sich an glückliche Zeiten erinnern, länger zusammenbleiben als Partner, die nur noch von Streit und Konflikt reden. Wer dafür eine Formel braucht, ist selber schuld. Die »Mathematik der Liebe« brachte den Wissenschaftlern indessen hohe Auszeichnungen und seit 2004 regelmäßige Schlagzeilen und Hintergrundberichte in den deutschen Leitmedien. Das Absurde ist, dass Murray selber seine Ehe nie berechnen würde, da er seit über 50 Jahren glücklich verheiratet ist und »man spürt doch, dass es passt«, Süddeutsche 17.5.2010.
8) »Gene und Hormone reden lauter zu uns als unsere Mitmenschen«: Während alle materialistischen Menschenreduktionen flächendeckend Einzug in alle deutschsprachigen Gazetten, Zeitschriften und Leitmedien finden, werden die neueren Erkenntnisse der Epigenetik sträflich vernachlässigt. Seit Antonio Damasio 2006 ist klar, dass Beziehungen den Körper mitgestalten. Schon kurzes Joggen verändert die DNA. Doch die auf Milliarden angewiesene Biotechnologie vermischt Wissenschaft mit Politik und verkauft
Studien, die sinngemäß behaupten, ein Klavier (Körper) könne ohne Klavierspieler (Beziehungen) Musik machen und – besonders absurd – immer nur ein einziges Lied spielen. Der menschliche Körper verfügt nicht nur über eine Bauanleitung, sondern auch

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