Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vermessung des Körpers

Die Vermessung des Körpers

Titel: Die Vermessung des Körpers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Clegg
Vom Netzwerk:
Soldaten führen sollten. Die Idee gelangte 1927 in die Vereinigten Staaten, als die Amerikanerin Dorothy Eustis, die in der Schweiz als Hundetrainerin arbeitete, von der deutschen Idee erfuhr. Sie schrieb einen Artikel, der zufällig auch den späteren ersten Besitzer eines Blindenhundes erreichte – Morris Frank. Der Name seines Hundes lautete Buddy (Kumpel).
    Seitdem konnten dank der Blindenhunde Tausende Menschen den Weg in ein aktives Leben zurückfinden. Erst kürzlich beobachtete ich am Londoner Bahnhof Paddington, wie ein Blindenhund seinen Besitzer von einem Zug bis zum Ausgang führte. Trotz des Gedränges, etlicher Sperren zur Ticketkontrolle, eines Warnschilds mit der Aufschrift »Nasser Fußboden«, einer ganzen Reihe weiterer Hürden, die irgendwer absichtlich in den Weg gestellt zu haben schien, um die Aufgabe noch schwieriger zu machen, trotz des Lärms, der Gerüche von Burger King und Coffee Shops und der gewaltigen, lauten Züge in nächster Nähe gelang es dem Hund, seinen blinden Besitzer mit normaler Geschwindigkeit durch den Bahnhof und weiter seinem Ziel entgegen zu führen.
    In jüngerer Zeit hat sich zu den Blindenhunden noch ein weiterer Typus von Helferhund gesellt: Hörhunde warnen ihre gehörlosen Besitzer bei akustischen Signalen, die ein hörender Mensch wahrnehmen und entsprechend auf sie reagieren würde – etwa ein Türklingeln oder das Geräusch eines wendenden Autos hinter sich. Ein Hörhund braucht zwar nicht dieselbe Präzision wie ein Blindenhund, aber er muss in der Kakophonie unseres modernen Lebens komplexe Unterscheidungen treffen.
    Die dritte Kategorie von Helferhunden ist der Diensthund, der darauf abgerichtet ist, Menschen mit einer körperlichen Behinderung zuhelfen, welche es ihnen erschwert, mobil zu sein oder Objekte zu bewegen. Es ist ganz erstaunlich, einen dieser Hunde dabei zu beobachten, wie er für seinen Besitzer einen Geldautomaten bedient.
Natürliche Genmanipulation
    Natürlich begann die Produktion dieser bemerkenswerten Technologie zur Unterstützung unserer körperlichen Fähigkeiten nicht mit der Absicht, solch flexible Helfer zu schaffen. Höchstwahrscheinlich fing sogar alles mit einem Zufall an.
    Obwohl Wölfe ihren schlechten Ruf nicht ganz verdient haben – so greifen sie etwa nur selten Menschen an –, waren sie doch bestimmt störende Fleischfresser, die der Urmensch möglichst fernhalten musste, damit sie ihm nicht die Überreste erlegter Tiere stahlen.
    Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie der Wolf Schritt für Schritt seine Rolle als Feind aufgegeben haben könnte. Vielleicht kroch in einem kalten Winter ein Wolf in die Nähe eines Feuers, um nicht zu erfrieren. Vielleicht griff während seiner Anwesenheit ein anderes Raubtier das Lager an – der Wolf als Rudeltier eilte den Menschen zu Hilfe und kämpfte an ihrer Seite. Dafür wurde er mit einem großen Stück Fleisch belohnt. Die natürliche Auslese beginnt an dieser Stelle. Über die Jahre waren es stets die sanftmütigeren Wolfsjungen, die sich in das menschliche Rudel leichter einfügten, dort blieben und sich füttern und loben ließen. Über einen Zeitraum von Jahrtausenden entstand so der Hund.
    Erinnern Sie sich an das Experiment von Dmitri Beljajew, das ich im 2. Kapitel erwähnt habe? In nur 40 Jahren machte er aus wilden Silberfüchsen domestizierte, hundeähnliche Wesen – der Prozess dauert also nicht unbedingt lange. Vielleicht mussten sich die frühen Jäger schon hundert Jahre nach dem vorsichtigen Erstkontakt nicht mehr mit wilden Wölfen herumschlagen. Die Tiere, die sich in ihrem Lager aufhielten, hatten ihr Verhalten und ihr Aussehen verändert: Ihre einst aufgestellten Ohren hingen nun herab, ihr Fell wies unterschiedliche Farben auf, und sie erkannten Menschen als Mitglieder ihres Rudels an. Der Hund war erschaffen worden.
    Das war lupenreines Gen-Engineering, nicht anders als ein beliebiges Saatgut. Indem der Mensch nach bestimmten Eigenschaften selektierte, veränderte er die Natur vieler Tiere und Pflanzen, um sie seinen Bedürfnissen anzupassen. Bei zwei Pflanzen wird dies besonders deutlich: bei Blumenkohl und Mais. Der Blumenkohl ist ein mutierter Kohl. Seine Blüte wurde zu einem harten, knotigen Ding gemacht, jenem Teil, den wir heute essen. Ohne funktionsfähige Blüte kann er sich ohne fremde Hilfe nicht mehr fortpflanzen. Ganz ähnlich wurde auch der Mais über Jahre immer wieder selektiert, bis seine Kolben schließlich größer wurden. Er

Weitere Kostenlose Bücher