Die Vermessung des Körpers
statt. Das könnte eine Erklärung dafür sein, warum sich unser Gehirn funktionell so stark von dem anderer Tiere unterscheidet, mit denen wir genetisch eng verwandt sind.
Und noch etwas ist seltsam an diesen Genen: Wissenschaftler der University of Michigan in Ann Arbor verglichen 14 000 übereinstimmende Gene im menschlichen Erbgut (Genom) mit denen des Schimpansen. Von diesen haben sich beim Schimpansen 223 als Folge positiver Selektion verändert (wo die natürliche Selektion also eine Veränderung beibehalten hat, wenn sich diese für die Spezies als vorteilhaft erwiesen hat), aber nur 154 beim Menschen.
Der Leiter der Studie kommentierte dies folgendermaßen: »Dieses Ergebnis macht mit der Ansicht Schluss, wir hätten, da wir schließlich die Herrscher der Welt sind, einen beachtlichen positiven Selektionsprozess durchlaufen.« Die Primatologin Victoria Horner schloss sich an: »Wir glauben zwar, die Schimpansen hätten sich weniger verändert als wir, doch ist dies tatsächlich nicht der Fall.«
Von außen betrachtet, ist schwer zu begreifen, wie Biologen so betriebsblind sein können. Eindeutig haben wir uns seit dem ersten Homo sapiens viel mehr verändert als die Schimpansen seit den Ersten ihrer Art. Diese verzerrte Sicht der Wissenschaftler beruht vermutlich auf einem Fehler, den schon der Physiker Ernest Rutherford anprangerte, jener Mann, der die Atomstruktur entdeckte. Rutherford sagte einmal: »Alle Wissenschaft ist entweder Physik oder Briefmarkensammeln.« Was er damit meinte, war, dass allein die Physik erklärende Einsichten biete, wohingegen andere Bereiche der Wissenschaft, insbesondere die Biologie, sich fast ausschließlich darauf beschränkten, Entdecktes zu katalogisieren.
Es war durchaus etwas Wahres an dieser Aussage, bis die Biologie mit der Evolution und der Genetik daherkam, die die Wissenschaft veränderten. Vermutlich ist das der Grund, warum Biologen, irritiert durch Bemerkungen wie der Rutherfords, bisweilen zu großes Gewicht auf die Gene legen. Doch zeichnet die schiere Anzahl der Gene kein besonders brauchbares Bild von der Komplexität eines Tieres oder einer Pflanze.
Sogar die schlaueste Reispflanze wird trotz all ihrer vielen Extra-Gene (im Vergleich zum Menschen) wahrscheinlich weder große Literatur hervorbringen noch wissenschaftliche Entdeckungen machen oder irgendwelche aufregenden Pläne für die Zukunft schmieden. Die Epigenetik stellt sicher, dass eine kleine Anzahl von Genen phänomenale Veränderungen bei einem Wesen bewirken kann. Unser großes Gehirn ist das beste Beispiel.
Die genetische Veränderung allein als Begründung dafür heranzuziehen, dass sich Schimpansen stärker verändert hätten als Menschen, wäre eine perverse Fokussierung auf einen kleinen Aspekt einer Gesamtheit. Wir sind mehr als unsere Gene – dank unseres beachtlichen Gehirns sind viele Veränderungen, die wir geschaffen haben, auf unsere Technologien und die Interaktion mit unserer Umwelt zurückzuführen. Zu sagen, die Schimpansen hätten sich in den vergangenen sechs Millionen Jahren mehr verändert als wir, ist daher geradezu lächerlich.
Während dieser Zeitspanne haben die Schimpansen ihre Tagesordnung im Großen und Ganzen beibehalten. Sie haben stets getan, was Schimpansen eben so tun, abgesehen von ein paar kleineren Abweichungen. Sie haben nicht die Fähigkeit entwickelt, zu fliegen. Sie können nicht tagelang durch eine Wüste ohne Wasserlöcher ziehen und überleben. Sie können nicht im Weltraum existieren (es sei denn, wir ermöglichen es ihnen). Ebenso wenig können sie tödlicheKrankheiten überstehen oder sehen, was auf der anderen Seite der Welt passiert. Unsere Quasi-Evolution durch Gehirnkapazität lässt Schimpansen am Startblock der Evolution stehen.
Angriff der Klone
Eine der am häufigsten missbrauchten Ideen aus der Genforschung ist die des Klonens. Wenn man eine bessere Ausgabe seiner selbst haben will als die, die man im Spiegel sieht, dann braucht man einen Klon – zumindest will Hollywood uns das glauben machen. Klonen ist der Vorgang, bei dem mittels der DNS eines einzelnen Individuums eine weitere Kreatur derselben Spezies geschaffen wird. Wenn wir an Klone denken, stellen wir uns meist identische Kopien vor, aber das stimmt bei Weitem nicht. Ungeachtet der Tatsache, dass das Klonen des Menschen momentan noch nicht möglich ist, gibt es viele Beispiele für menschliche Klone, die im selben Umfeld aufgewachsen sind und sich doch deutlich voneinander
Weitere Kostenlose Bücher