Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)

hatten wissen wollen, ob kleine, harmlose, schnell zerfallende, höherdimensionale schwarze Löcher entstehen und dadurch das Vorhandensein einer höherdimensionalen Gravitation signalisieren könnten. Unsere Berechnungen zeigten, dass das nur selten geschehen könnte, wenn überhaupt. Natürlich hätte die Erzeugung kleiner schwarzer Löcher, wenn sie möglich wäre, eine fantastische Bestätigung der Theorie sein können, die Raman und ich vorgeschlagen hatten. Aber als Naturwissenschaftlerin habe ich die Pflicht, Berechnungen zu beachten.
    Anhand unserer Ergebnisse konnten wir keine falschen Erwartungen hegen. Patrick und ich (und die meisten anderen Physiker) erwarten nicht einmal, dass kleine schwarze Löcher auftreten.
    So funktioniert die Naturwissenschaft. Leute haben Ideen, arbeiten sie im Groben aus, und dann machen sie selbst oder andere sich an die Ausarbeitung der Einzelheiten. Die Tatsache, dass die ursprüngliche Idee nach weiterer Prüfung modifiziert werden musste, ist kein Zeichen für Unfähigkeit – sie ist nur ein Zeichen dafür, dass Naturwissenschaft schwierig ist und der Fortschritt sich häufig in kleinen Schritten vollzieht. Zwischenstadien bringen nach vorne und hinten gerichtete Anpassungen mit sich, bevor wir uns theoretisch und experimentell auf die besten Ideen einigen. Leider schlossen Patrick und ich unsere Berechnungen nicht so rechtzeitig ab, dass wir die Kontroverse um schwarze Löcher hätten daran hindern können, die Zeitungen zu durchdringen und zu einem Rechtsstreit zu führen.
    Unabhängig davon, ob nun schwarze Löcher entstehen würden oder nicht, wurde uns jedoch klar, dass andere interessante Charakteristika stark wechselwirkender Teilchen am LHC wichtige Hinweise auf das zugrunde liegende Wesen der Kräfte und der Gravitation liefern könnte. Und wir würden diese anderen Anzeichen für höhere Dimensionen bei niedrigeren Energien sehen. Bevor wir diese anderen exotischen experimentellen Signale nicht sehen, wissen wir, dass es keine Möglichkeit für die Herstellung schwarzer Löcher gibt. Aber diese anderen Signale könnten schließlich einige Aspekte der Gravitation erhellen.
    Diese Arbeit veranschaulicht einen anderen wichtigen Aspekt der Naturwissenschaft. Auch wenn die Paradigmen sich auf unterschiedlichen Skalen dramatisch verändern könnten, begegnen wir nur selten plötzlich einer solchen abrupten Veränderung in den Messdaten. Daten, die bereits vorlagen, stießen manchmal einen Paradigmenwechsel an, wie z.B. als die Quantenmechanik schließlich die bekannten Spektrallinien erklärte. Aber häufig sind kleine Abweichungen von den Vorhersagen ein Vorspiel zu künftigen drastischeren Hinweisen. Selbst gefährliche Anwendungen der Naturwissenschaft brauchen Zeit, um sich zu entwickeln. Die Naturwissenschaftler mögen zwar in mancher Hinsicht für das Zeitalter nuklearer Waffen verantwortlich sein, aber keiner von ihnen entdeckte plötzlich überraschend eine Bombe. Die Erkenntnis der Äquivalenz von Masse und Energie genügte nicht. Die Physiker mussten sich sehr anstrengen, um Materie in eine gefährliche explosive Form zu bringen.
    Schwarze Löcher könnten möglicherweise auch Anlass zu berechtigten Sorgen geben, wenn sie groß werden könnten, was aber den Berechnungen und Beobachtungen zufolge nicht geschehen wird. Aber selbst, wenn sie es könnten, würden kleine schwarze Löcher – oder zumindest die Gravitationseffekte auf die eben besprochenen Wechselwirkungen von Teilchen – dennoch zunächst das Vorhandensein einer Veränderung der Gravitation signalisieren.
    Am Ende stellen schwarze Löcher überhaupt keine Gefahr dar. Aber sollten sie es doch tun, verspreche ich, die volle Verantwortung zu übernehmen, wenn der LHC ein schwarzes Loch erzeugt, das den Planeten verschluckt. In der Zwischenzeit können Sie tun, was meine Studenten aus dem Erstsemesterseminar vorschlugen und sich die folgende Website ansehen: http://hasthelargehadroncolliderdestroyedtheworldyet.com.

Kapitel 11
    Riskante Geschäfte
    Nate Silver, Autor des Blogs FiveThirtyEight – der den größten Erfolg bei der Vorhersage der Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen von 2008 hatte – interviewte mich im Herbst 2009 für ein Buch über Prognosen, das er gerade schrieb. Zu jener Zeit hatten wir eine Wirtschaftskrise, einen anscheinend nicht zu gewinnenden Krieg in Afghanistan, ausufernde Kosten im Gesundheitswesen, einen möglicherweise irreversiblen Klimawandel und andere