Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
Leute ihr Bestes tun, um alles, was relevant ist, zu modellieren, können die Anfangsdaten und Annahmen, die in jedes einzelne Modell eingehen, die Schlussfolgerung bedeutend beeinflussen. Die Vorhersage eines geringen Risikos ist bedeutungslos, wenn die mit den zugrunde liegenden Annahmen verbundenen Unsicherheiten zu groß sind. Es kommt entscheidend darauf an, dass man mit Unsicherheiten gründlich und offen umgeht, wenn eine Vorhersage irgendeinen Wert haben soll. Bevor wir andere Beispiele betrachten, möchte ich eine kleine Anekdote erzählen, die das Problem veranschaulicht.
Zu Beginn meiner Laufbahn in der Physik fiel mir auf, dass das Standardmodell für eine bestimmte interessante Größe einen viel breiteren Bereich von Werten gestattet, als zuvor vorhergesagt worden war, und zwar aufgrund eines quantenmechanischen Beitrags, dessen Größe von dem (damals) erst kurz zuvor gemessenen und überraschend großen Wert der Masse des Top-Quarks abhing. Als ich mein Ergebnis auf einer Tagung präsentierte, wurde ich gebeten, meine neue Vorhersage als Funktion der Masse des Top-Quarks abzutragen. Ich lehnte ab, weil ich wusste, dass es mehrere verschiedene Beiträge gab und dass die verbleibenden Unsicherheiten einen zu großen Bereich von Möglichkeiten gestatteten, um eine so einfache Kurve zu erlauben. Ein »erfahrener« Kollege unterschätzte jedoch die Unsicherheiten und zeichnete ein solches Diagramm (ähnlich wie bei vielen Vorhersagen über die wirkliche Welt, die heute gemacht werden) und seine Vorhersage wurde – eine Zeitlang – allgemein zitiert. Als die gemessene Größe schließlich doch nicht in den Bereich fiel, den er vorhergesagt hatte, wurde die mangelnde Übereinstimmung richtigerweise seiner allzu optimistischen Einschätzung der Unsicherheit zugeschrieben. Es ist eindeutig besser, solche Peinlichkeiten zu vermeiden, und zwar sowohl in der Naturwissenschaft als auch in jeder praxisnahen Situation. Wir wollen, dass Vorhersagen sinnvoll sind, und das werden sie nur dann sein, wenn wir mit den dabei auftretenden Unsicherheiten gewissenhaft umgehen.
Real existierende Situationen weisen sogar noch widerspenstigere Probleme auf, die von uns verlangen, dass wir mit Unsicherheiten und Unbekanntem noch sorgfältiger umgehen. Im Hinblick auf die Nützlichkeit quantitativer Vorhersagen, die diese Probleme entweder nicht berücksichtigen oder nicht berücksichtigen können, müssen wir vorsichtig sein.
Ein Stolperstein ist, wie man systemische Risiken, die fast immer schwierig zu quantifizieren sind, angemessen berücksichtigt. In jedem großen vernetzten System sind die großen Bestandteile, die aufgrund der vielen Verbindungen der kleineren Teile vielen möglichen Störungen ausgesetzt sind, häufig diejenigen, die am wenigsten überwacht werden. Informationen können bei Übergängen verlorengehen oder überhaupt nicht beachtet werden. Und solche systemischen Probleme können die Folgen anderer potentieller Risiken verstärken.
Ich sah diese Art von strukturellen Problemen unmittelbar, als ich in einem Ausschuss war, der für die Sicherheit bei der NASA zuständig war. Um der Notwendigkeit gerecht zu werden, verschiedene Kongressbezirke zufrieden zu stellen, sind die NASA-Standorte über das ganze Land verteilt. Selbst wenn jeder einzelne Standort sich um seine eigene Ausrüstung kümmert, wird doch in die Verbindungen untereinander institutionell weniger investiert. Das gilt dann ebenso für die größere Organisation. Informationen können bei der Übertragung zwischen verschiedenen Teilbereichen leicht verlorengehen. In einer an mich gerichteten E-Mail von dem Risikoanalytiker der NASA und Luftfahrtindustrie Joe Fragola, der die Untersuchung leitete, heißt es: »Meine Erfahrung deutet darauf hin, dass Risikoanalysen, die ohne gemeinsames Handeln der Fachexperten, des Systemintegrations-Teams und des Risikoanalyse-Teams durchgeführt werden, dazu verdammt sind, mangelhaft zu sein. Insbesondere werden sogenannte ›schlüsselfertige‹ Risikoanalysen zu bloßen versicherungsmathematischen Übungen und sind nur von akademischem Interesse.« Allzu oft gibt es einen Kompromiss zwischen Breite und Detailliertheit, aber langfristig sind beide notwendig.
Eine dramatische Folge eines solchen Versagens (unter anderen) war der BP-Zwischenfall im Golf von Mexiko. Bei einem Vortrag in Harvard im Februar 2011 nannte Cherry Murray, Mitglied des nationalen Ausschusses zur Ölkatastrophe an der
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