Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
grundlegende Rätsel auf. Der Ursprung dieser Masse – ebenso wie der Masse der anderen Elementarteilchen, die in diesem Kapitel besprochen wurden – ist im Higgs-Mechanismus verwurzelt, dem wir uns gleich zuwenden werden.
Da die W s und das Z schwer sind, zerfallen diese Eichbosonen. Das bedeutet, dass die W - und Z -Bosonen ebenso wie das Top-Quark und andere instabile schwere Teilchen nur dadurch identifiziert werden können, dass man die Teilchen findet, in die sie zerfallen. Da schwere neue Teilchen wahrscheinlich ebenfalls instabil sind, verwenden wir den Zerfall der schwachen Eichbosonen, um eine andere interessante Eigenschaft zerfallender Teilchen zu erläutern.
Ein W -Boson wechselwirkt mit allen Teilchen, die für die schwache Kraft empfänglich sind (d.h. mit allen Teilchen, die wir besprochen haben). Dadurch stehen dem W -Boson viele Zerfallsmöglichkeiten offen. Es kann in irgendein geladenes Lepton (Elektron, Myon oder Tau) und sein entsprechendes Neutrino zerfallen. Es kann auch in ein Up- und Down-Quark oder in ein Charm- und Strange-Quarkpaar zerfallen, wie in Abbildung 44 zu sehen ist.
Abb. 44: Das W -Boson kann in ein geladenes Lepton und sein entsprechendes Neutrino zerfallen oder in ein Up- und Down-Quark oder ein Charm- und Strange-Quark. In Wirklichkeit sind die physikalischen Teilchen Überlagerungen verschiedener Arten von Quarks oder Neutrinos. Das gestattet dem W -Boson, manchmal gleichzeitig in Teilchen aus verschiedenen Generationen zu zerfallen.
Die Teilchenmassen sind ebenfalls entscheidend für die Bestimmung möglicher Zerfallsprozesse. Ein Teilchen kann nur in andere Teilchen zerfallen, deren Massen sich zu einer kleineren als der Masse des ursprünglichen Teilchens addieren. Obwohl das W -Boson auch mit den Top- und Bottom-Quarks wechselwirkt, ist das Top-Quark schwerer als das W , so dass dieser Zerfall nicht gestattet ist. [55]
Betrachten wir das W -Boson, das in zwei Quarks zerfällt, da die Experimentalphysiker in diesem Fall beide Zerfallsprodukte messen (was für das Lepton und das Neutrino nicht gilt, da das Neutrino »fehlt«). Aufgrund der Erhaltung von Energie und Impuls gibt uns die Messung der Gesamtenergie und des Gesamtimpulses beider Endzustands -Quarks Auskunft über die Energie und den Impuls des Teilchens, das in sie zerfiel, nämlich des W -Bosons.
An dieser Stelle wird die Geschichte durch Einsteins spezielle Relativitätstheorie in Kombination mit der Quantenmechanik ein bisschen interessanter. Einsteins spezielle Relativitätstheorie sagt uns, wie die Masse mit Energie und Impuls verbunden ist. Die meisten Menschen kennen die Kurzschreibweise E = mc 2 . Diese Formel gilt für ruhende Teilchen, wenn m als m 0 interpretiert wird, die intrinsische Masse eines Teilchens in Ruhe. Sobald sich die Teilchen bewegen, haben sie einen Impuls und die vollständigere Formel E 2 – p 2 c 2 = m 0 2 c 4 kommt ins Spiel. [56] Mit dieser Formel können die Experimentalphysiker anhand der Energie und des Impulses die Masse des Teilchens ableiten, auch wenn das ursprüngliche Teilchen durch seinen Zerfall schon lange verschwunden ist. Experimentalphysiker addieren den gesamten Impuls und die gesamte Energie und wenden diese Gleichung an. Dann wird die ursprüngliche Masse bestimmt.
Der Grund, weshalb die Quantenmechanik ins Spiel kommt, ist subtiler. Ein Teilchen wird nicht immer den Anschein erwecken, dass es genau seine wirkliche und wahre Masse hat. Da das Teilchen zerfallen kann, sagt uns die quantenmechanische Unbestimmtheitsrelation, die besagt, dass es unendlich lange dauert, die Energie präzise zu messen, dass die Energie jedes Teilchens, das nicht ewig existiert, nicht genau bekannt sein kann. Die Energie kann um einen Betrag verschoben sein, der größer ist, wenn der Zerfall schneller und die Lebensdauer kürzer ist. Das bedeutet, dass bei jeder gegebenen Messung die Masse nahe bei dem wahren Mittelwert liegen – aber nicht genau mit ihm zusammenfallen – kann. Nur durch viele Messungen können die Experimentalphysiker sowohl die Masse – den wahrscheinlichsten Wert, gegen den der Mittelwert konvergiert – als auch die Lebensdauer ableiten, da es die Zeitspanne der Existenz eines Teilchens vor seinem Zerfall ist, die die Bandbreite der gemessenen Massen bestimmt (siehe Abbildung 46). Das gilt für das W -Boson und auch für alle anderen zerfallenden Teilchen.
Abb. 46: Messungen zerfallender Teilchen sind zwar um ihre wahre Masse herum
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