Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
ist, könnte der LHC – außer den KK-Teilchen und neuen Wechselwirkungen – zusätzliche Teilchen erzeugen, die mit oszillierenden zugrunde liegenden Strings verbunden sind. Diese Teilchen wären viel zu schwer, um unter konventionelleren Annahmen erzeugt zu werden. Aber mit einer verzerrten Geometrie besteht die Hoffnung, dass einige String-Teilchen viel leichter als erwartet sein werden und daher auf der schwachen Energieskala erscheinen könnten.
Offensichtlich gibt es mehrere interessante Möglichkeiten für eine verzerrte Geometrie, und wir warten gespannt auf die experimentellen Ergebnisse. Wenn die Konsequenzen dieser Geometrie entdeckt sind, werden sie unsere Sichtweise über das Wesen des Universums verändern. Aber wir werden erst dann wissen, welche – falls überhaupt eine – dieser Möglichkeiten in der Natur realisiert ist, nachdem der LHC seine Suche abgeschlossen hat.
Rekapitulation
Die Experimente am LHC überprüfen gegenwärtig alle in diesem Kapitel vorgestellten Ideen. Wir hoffen, dass wenn irgendeines dieser Modelle richtig ist, bald entsprechende Hinweise erscheinen werden. Es könnte sich um solide Belege wie KK-Teilchen handeln, oder es könnte subtile Abweichungen von Prozessen des Standardmodells geben. In beiden Fällen warten sowohl die Theoretiker als auch die Experimentalphysiker in Alarmbereitschaft. Jedes Mal, wenn der LHC etwas feststellt oder auch nicht, werden dadurch die Möglichkeiten weiter eingeschränkt. Und wenn wir Glück haben, könnte sich eine der besprochenen Ideen als richtig erweisen. In dem Maße, in dem wir mehr darüber erfahren, was der LHC erzeugen wird und wie die Detektoren funktionieren, werden wir hoffentlich auch mehr darüber erfahren, wie man die Reichweite des LHC erweitern könnte, um einen möglichst großen Bereich von Möglichkeiten zu überprüfen. Und sobald Daten verfügbar sind, werden die Theoretiker diese Daten in ihre Vorschläge einbauen.
Wir wissen nicht, wie lange es dauern wird, bis wir die ersten Antworten bekommen, da wir nicht wissen, was wirklich vorhanden ist oder wie groß die Massen und Wechselwirkungen sein könnten. Manche Entdeckungen mögen wohl innerhalb von ein oder zwei Jahren stattfinden. Andere könnten länger als ein Jahrzehnt dauern. Manche könnten sogar höhere Energien erfordern, als der LHC je erreichen wird. Das Warten ist zwar etwas nervenaufreibend, aber die Ergebnisse werden überwältigend sein. Dafür sollte sich das Nägelkauen lohnen. Sie könnten unsere grundlegende Sichtweise über das Wesen der Wirklichkeit ändern oder zumindest der Materie, aus der sie besteht. Wenn die Ergebnisse unter Dach und Fach sind, könnten ganze neue Welten auftauchen. Noch zu unseren Lebzeiten könnten wir eine ganz andere Sicht auf das Universum gewinnen.
Kapitel 18
Induktiv versus deduktiv
Es gibt keinen Ersatz für solide experimentelle Ergebnisse. Aber wir Physiker saßen das letzte Vierteljahrhundert auch nicht bloß untätig herum und haben darauf gewartet, dass der LHC in Betrieb geht und sinnvolle Daten liefert. Wir haben lange und angestrengt darüber nachgedacht, wonach die Experimente suchen sollen und welche Auswirkungen die Daten voraussichtlich haben werden. Außerdem untersuchten wir Ergebnisse von Experimenten, die innerhalb dieses Zeitrahmens durchgeführt wurden, und diese haben uns detaillierte Informationen über bekannte Teilchen und Wechselwirkungen geliefert und unserem Denken Orientierung gegeben.
Diese Zwischenzeit war auch eine ungeheure Gelegenheit, um tiefer über Ideen nachzudenken, die zumindest vorläufig weiter von den Daten entfernt sind. Einige der interessanteren und spekulativeren Modelle und theoretischen Erkenntnisse der letzten fünfundzwanzig Jahre ergaben sich aus diesen eher mathematischen Anstrengungen. Ich zumindest bezweifle, dass ich über Extra-Dimensionen oder eher mathematische Aspekte der Supersymmetrie nachgedacht hätte, wenn es mehr Daten gegeben hätte. Selbst wenn Messungen gemacht worden wären, die diese Ideen letztlich unterstützen, hätte es einige Zeit gedauert, um die Folgen ohne den Luxus vorheriger mathematischer Anstrengungen zu entwirren.
Experimente und Mathematik führen beide zu naturwissenschaftlichen Fortschritten. Aber der Weg des Fortschritts ist selten offenkundig, und die Physiker waren geteilter Meinung im Hinblick auf die beste Strategie. Die Modellentwickler verwenden den »induktiven« Ansatz, der in Kapitel 15 vorgestellt wurde, um
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