Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)

Methodologie zu lehren.
    Unser Gespräch nahm jedoch eine überraschende Wendung. Der Lehrplan, den er entwarf, sollte zumindest einen Kurs über Religion enthalten. Die Religion war ein großer Bestandteil seines Lebens, und er vertraute darauf, dass die Menschen ihr eigenes Urteil fällen würden. Aber das war nicht die größte Überraschung. Danach fuhr er fort, seine Überzeugung darzulegen, dass der Mensch von Adam abstammte, anstatt von Menschenaffen. Ich verstand nicht, wie jemand, der als Biologe ausgebildet war, nicht an die Evolution glauben konnte. Diese Inkonsistenz geht weiter als irgendeine Verletzung des materialistischen Universums durch Gottes unmittelbares Eingreifen in der Art, wie ich sie gerade besprochen habe. Er sagte mir, wie er zwar die Wissenschaft lernen und die Logik verstehen konnte, dass diese aber lediglich bestimmte Weisen seien, wie der Mensch – was auch immer das heißen soll – sich die Dinge klarmacht. Nach seinem Dafürhalten entsprechen die logischen Schlussfolgerungen des »Menschen« einfach nicht der Wirklichkeit.
    Dieser Austausch bestärkte mich in meiner Überzeugung, dass es für uns schwierig werden wird, Fragen zur Vereinbarkeit von Naturwissenschaft und Religion zu beantworten. Auf Erfahrung beruhende und mit Hilfe der Logik abgeleitete Naturwissenschaft und das Wesen des Glaubens, das auf Offenbarung beruht, sind völlig verschiedene Methoden, um zur Wahrheit zu gelangen. Sie können nur dann einen Widerspruch ableiten, wenn ihre Regeln die der Logik sind. Die Logik versucht Paradoxa aufzulösen, während ein großer Teil des religiösen Denkens aus ihnen erwächst. Wenn Sie an offenbarte Wahrheit glauben, haben Sie sich außerhalb der Regeln der Wissenschaft begeben, und daher kommt es zu keinem Widerspruch. Ein gläubiger Mensch kann die Welt auf eine nichtrationale Weise interpretieren, die von seiner Perspektive aus mit der Naturwissenschaft vereinbar ist, was bedeutet, dass er die »göttliche Magie« akzeptiert. Oder – wie mein Nachbar im Flugzeug – er kann einfach entscheiden, dass er bereit ist, mit dem Widerspruch zu leben.
    Aber auch wenn Gott vielleicht eine Möglichkeit haben könnte, die logischen Widersprüche zu vermeiden, so gilt das doch nicht von der Wissenschaft. Anhänger von Religionen, die sowohl religiöse Erklärungen für das Funktionieren der Welt als auch naturwissenschaftliches Denken akzeptieren wollen, sind gezwungen, sich mit einer ungeheuren Kluft zwischen naturwissenschaftlichen Entdeckungen und unbeobachteten, nicht wahrnehmbaren Einflüssen auseinanderzusetzen – eine Lücke, die im Grunde mit den Mitteln des logischen Denkens nicht zu überbrücken ist. Sie haben keine andere Wahl, als in Glaubensangelegenheiten zeitweilig logische (oder zumindest wortgetreue) Interpretationen aufzugeben.
    In der einen oder anderen Richtung ist es jedoch immer noch möglich, ein fähiger Naturwissenschaftler zu sein. Und tatsächlich könnte die Religion auch von großem psychologischen Nutzen sein. Aber jeder religiöse Wissenschaftler muss sich täglich mit der Herausforderung seines Glaubens durch die Naturwissenschaft auseinandersetzen. Der religiöse Teil Ihres Gehirns kann nicht zur selben Zeit tätig sein wie der wissenschaftliche Teil. Sie sind einfach nicht miteinander vereinbar.

Kapitel 4
    Die Suche nach Antworten
    Zum ersten Mal stieß ich auf die Wendung »Knocking on heaven’s door«, als ich mir Bob Dylans Lied bei seinem Konzert von 1987 mit Grateful Dead in Oakland, Kalifornien, anhörte. Natürlich hat der englische Titel meines Buches eine andere Intention als der Liedtext, den ich Dylan und Jerry Garcia immer noch in meinem Geiste singen höre. Der Sinn dieser Wendung unterscheidet sich auch von seinem biblischen Ursprung, obwohl mein Titel mit dieser Deutung spielt. In der Bibel lesen wir bei Matthäus: »Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet. Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer klopft, dem wird geöffnet.« [21]  
    Diesen Worten zufolge können Menschen zwar nach Erkenntnis streben, aber das letztendliche Ziel ist, Zugang zu Gott zu gewinnen. Die menschliche Neugier für die Welt und aktives Infragestellen sind nur Sprungbretter zum Göttlichen – das Universum selbst ist zweitrangig. Es könnten zwar Antworten gefunden werden, oder gläubige Menschen könnten auch zu einer aktiveren Wahrheitssuche angestachelt werden,