Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
Welt auch weiterhin eine Kluft zwischen Naturwissenschaft und Religion. Gelegentlich wird diese Kluft so groß, dass sie zu Gewalt führt oder zumindest mit dem Bildungssystem in Konflikt gerät.
Aus der Sicht religiöser Autorität können Herausforderungen für die Religion, wie etwa die Wissenschaft, aus vielen Gründen suspekt sein, wobei einige davon weder mit Wahrheit noch mit Logik etwas zu tun haben. Für die Verantwortungsträger kann Gott immer als Trumpfkarte, die ihren Standpunkt rechtfertigt, geltend gemacht werden. Unabhängige Forschung jeder Art stellt eindeutig eine potentielle Bedrohung dar. Wenn man in Gottes Geheimnisse hineinspäht, dann könnten außerdem die moralische Macht der Kirche und die weltliche Autorität der Herrscher auf Erden untergraben werden. Ein solches Hinterfragen könnte auch mit der Demut und der Loyalität der Gemeinde in Konflikt geraten und sogar dazu führen, dass man die Bedeutung Gottes vergisst. Kein Wunder, dass die religiösen Autoritäten manchmal besorgt sind.
Aber warum schließen sich einzelne Menschen diesem Standpunkt an? Für mich besteht die wirkliche Frage nicht darin, was die Unterschiede zwischen Naturwissenschaft und Religion sind. Diese können hinreichend gut abgegrenzt werden, wie wir im vorangehenden Kapitel dargelegt haben. Die wichtige Frage, die man beantworten muss, lautet: Warum nehmen die Menschen diese Dinge so wichtig? Warum stehen so viele Menschen den Naturwissenschaftlern und dem naturwissenschaftlichen Fortschritt so misstrauisch gegenüber? Und warum bricht dieser Autoritätskonflikt so häufig aus und hält sogar bis heute an?
Ich war zufällig auf einer E-Mail-Liste für das Cambridger Round-Table-Gespräch über Naturwissenschaft, Kunst und Religion, einer Diskussionsreihe, die Mitglieder der Harvard University und des MIT versammelte. Das erste, an dem ich teilnahm zum Thema des Dichters George Herbert aus dem 17. Jahrhundert und den neuen Atheisten, trug dazu bei, etwas Licht auf einige dieser Fragen zu werfen.
Stanley Fish, der Literaturgelehrte, der sich zum Juraprofessor wandelte, hielt den Hauptvortrag bei diesem Ereignis. Er begann seine Bemerkungen damit, dass er die Ansichten der neuen Atheisten und ihre Feindschaft gegenüber dem religiösen Glauben umriss. Die neuen Atheisten sind jene Autoren, die Christopher Hitchens, Richard Dawkins, Sam Harris und Dan Dennett einschließen, welche der Religion in Bestsellern mit scharfen und kritischen Worten entgegengetreten sind.
Nach seinem kurzen Bericht über deren Ansichten ging Fish dazu über, deren mangelndes Religionsverständnis zu kritisieren, ein Standpunkt, der auf ein empfängliches Publikum stieß, da ich annehme, dass ich mich als nichtgläubiger Mensch bei der Diskussion in der Minderheit befand. Fish machte geltend, dass die neuen Atheisten stärkere Argumente hätten, wenn sie die Herausforderungen der Selbstbestimmtheit in Betracht gezogen hätten, mit denen sich die Gläubigen auseinandersetzen müssen.
Der Glaube erfordert aktives Fragen, und viele Religionen verlangen das vom Gläubigen. Doch gleichzeitig fordern viele Religionen, darunter manche Zweige des Protestantismus, auch die Ablehnung oder Unterdrückung eines unabhängigen Willens. Mit Calvins Worten: »Der Mensch neigt von Natur zu irrtümlicher Selbstbewunderung. Folgendes erfordert nun die Wahrheit Gottes von unserem Streben, wenn wir uns selbst prüfen: Sie erfordert diejenige Art von Wissen, die uns von jeglicher Zuversicht in unsere eigene Fähigkeit befreit, uns jeden Anlass zum Prahlen nimmt und uns zur Unterwürfigkeit führt.« [24]
Diese speziellen Worte bezogen sich in erster Linie auf moralische Fragen. Aber der Glaube an die Notwendigkeit einer äußeren Führung ist unwissenschaftlich, und es mag schwierig sein, zu wissen, wo man die Grenze ziehen soll.
Der Kampf zwischen dem Wunsch nach Erkenntnis und dem Argwohn gegenüber menschlichem Stolz zieht sich durch die gesamte religiöse Literatur, einschließlich der Gedichte von Herbert, die Fish und die Teilnehmer an dem Round-Table-Gespräch diskutierten. Das Cambridge-Gespräch legte Herberts innere Konflikte im Hinblick auf sein Verhältnis zur Erkenntnis und zu Gott dar. Für Herbert war selbsterzeugtes Verstehen ein Zeichen sündhaften Stolzes. Ähnliche Warnungen erscheinen auch in den Schriften John Miltons. Obwohl er fest an die Notwendigkeit einer selbstsicheren intellektuellen Forschung glaubte, lässt er doch Raphael
Weitere Kostenlose Bücher