Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
Beobachtungen der Natur, die er anschließend mit den einfachsten Hypothesen, die die Ergebnisse erklären konnten, zu deuten versuchte. Trotz Galileis Ergebenheit gegenüber der katholischen Kirche waren seine wissbegierigen Ideen und Methoden in den Augen des Klerus dem protestantischen Denken zu ähnlich. Galilei war, ohne es zu wissen, in einen religiösen Machtkampf eingetreten.
Ironischerweise hat die Gegenreformation vielleicht auch Kopernikus’ Annahme eines heliozentrischen Universums unabsichtlich herbeigeführt. Die katholische Kirche hatte sicherstellen wollen, dass ihr Kalender zuverlässig sei, so dass die Feiertage zur richtigen Jahreszeit stattfänden und ihre Rituale korrekt eingehalten würden. Kopernikus war einer der Astronomen, der von der Kirche gebeten wurde, eine Reform des Julianischen Kalenders vorzunehmen, um ihn in bessere Übereinstimmung mit der Bewegung der Planeten und Sterne zu bringen. Gerade diese Forschungen waren es, die ihn zu seinen Beobachtungen und schließlich zu seinen radikalen Behauptungen führten.
Luther selbst akzeptierte Kopernikus’ Theorie nicht. Aber das galt auch für die meisten anderen, bis Galileis fortschrittliche Beobachtungen und schließlich Newtons Gravitationstheorie sie später bestätigten. Luther akzeptierte jedoch andere Fortschritte, die in der Astronomie und der Medizin gemacht wurden und die er mit einem aufgeschlossenen Verständnis der Natur für vereinbar hielt. Er war nicht unbedingt ein großer Befürworter der Naturwissenschaft, aber die Reformation schuf eine Art zu denken – eine Atmosphäre, in der neue Ideen diskutiert und akzeptiert wurden –, die die modernen naturwissenschaftlichen Methoden förderte. Teilweise auch aufgrund der Entwicklung des Buchdrucks konnten sich naturwissenschaftliche sowie religiöse Ideen schnell ausbreiten und die Autorität der katholischen Kirche verringern.
Luther war der Ansicht, dass säkulare naturwissenschaftliche Bestrebungen potentiell genauso wertvoll waren wie religiöse. Naturwissenschaftler wie z.B. der große Astronom Johannes Kepler teilten diese Meinung. Kepler schrieb an Michael Maestlin, seinen früheren Professor in Tübingen: »Ich wollte Theologe werden, und lange Zeit fand ich keine Ruhe. Doch sehen sie jetzt nur, wie durch meine Bemühung Gott in der Astronomie gefeiert wird.« [23]
Dieser Ansicht zufolge war die Naturwissenschaft eine Möglichkeit, das spektakuläre Wesen Gottes und seiner Schöpfung und außerdem die Tatsache anzuerkennen, dass Erklärungen für die Funktionsweise der Dinge zahlreich und vielfältig waren. Die Naturwissenschaft wurde zu einem Mittel, um Gottes rationales und geordnetes Universum besser zu verstehen und außerdem der Menschheit zu helfen. Es ist bemerkenswert, dass die frühen modernen Naturwissenschaftler ihre Forschung als eine Form des Lobes für Gottes Schöpfung auffassten, die weit von der Ablehnung der Religion entfernt war. Sie verstanden sowohl das Buch der Natur als auch das Buch Gottes als Wege zur Erbauung und Offenbarung. Das Studium der Natur war dieser Sichtweise zufolge eine Form der Dankbarkeit und der Anerkennung gegenüber ihrem Schöpfer.
Gelegentlich hören wir diesen Standpunkt auch in jüngerer Zeit. Der pakistanische Physiker Abdus Salam erklärte in seiner Rede, als er 1979 den Nobelpreis für seine Rolle bei der Entwicklung des Standardmodells der Elementarteilchenphysik erhielt: »Der heilige Prophet des Islam betonte, dass die Suche nach Wissen und die Wissenschaften für jeden Moslem, ob Mann oder Frau, eine Pflicht sind. Er ermahnte seine Anhänger eindringlich, nach Wissen zu streben, selbst wenn sie bei der Suche danach bis nach China reisen müssten. An dieser Stelle hatte er eindeutig wissenschaftliche und nicht religiöse Erkenntnis im Sinn sowie eine nachdrückliche Betonung der Internationalität wissenschaftlicher Forschung.«
Warum nehmen die Menschen diese Dinge wichtig?
Trotz der wesentlichen Unterschiede, die im letzten Kapitel beschrieben wurden, begnügen sich manche Gläubigen damit, die naturwissenschaftlichen und religiösen Teile ihres Gehirns getrennt einzusetzen, und betrachten das Verstehen der Natur als einen Weg zum Verstehen von Gott. Ebenso sind viele Menschen, die nicht aktiv Naturwissenschaft betreiben, damit zufrieden, dass der naturwissenschaftliche Fortschritt sich ungehindert entfalten kann. Dennoch gibt es für viele Menschen in den Vereinigten Staaten und anderen Teilen der
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