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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Leiche gefunden.«
    Die Stimme klang gänzlich unbeeindruckt: » Eine Leiche. In Ordnung. Wo sind Sie gerade?«
    Ich bemühte mich nach Kräften, die Stelle so gut es ging zu beschreiben, wurde allerdings bald nervös, als die Beamtin weitere Einzelheiten erfragte. Es war wirklich nicht einfach, einen Standort exakt anzugeben, wenn es nirgends brauchbare Straßenschilder oder Gebäude gab, die als Orientierung dienen konnten. Deshalb wurde ich vollends konfus, als sie mich fragte, ob ich mich östlich von der Hauptstraße befände, was ich zunächst bejahte, dann jedoch revidierte. In meinem Kopf schwirrte es, als ob zwischen meinen Gedanken elektrostatische Störungen aufträten. Doch die Dame am anderen Ende der Leitung war äußerst geduldig und geradezu herzlich, weshalb ich mich noch schlechter fühlte, weil ich so hoffnungslos überfordert war.
    » Kein Problem, Sie machen das ganz prima. Können Sie mir bitte Ihren Namen nennen?«
    » Sarah Finch.«
    » Und Sie sind noch immer bei der Leiche?«, erkundigte sich die Beamtin.
    » Ich bin in der Nähe«, antwortete ich, um ganz korrekt zu sein. » Ich… Ich kenne sie. Ihr Name ist Jenny Shepherd. Sie wurde als vermisst gemeldet– ich habe heute Morgen mit ihrem Vater gesprochen. Sie…« Ich kämpfte mit den Tränen und konnte erst einmal nicht weitersprechen.
    » Sind noch Lebenszeichen vorhanden? Könnten Sie bitte kontrollieren, ob die Person noch atmet?«
    » Sie fühlt sich kalt an– ich bin mir sicher, dass sie tot ist.« Bedeckt ihr Gesicht, es blendet mich, sie ist jung gestorben.
    Der Wald begann sich wieder zu drehen, und während mir die Tränen in die Augen stiegen, streckte ich meine Hand nach hinten aus und tastete nach dem Baumstamm. Er fühlte sich wohltuend fest und beständig an.
    Die Beamtin sprach weiter: » Gut Sarah. Die Polizei wird gleich eintreffen. Bleiben Sie bitte, wo Sie sind, und lassen Sie Ihr Handy eingeschaltet. Die Kollegen melden sich eventuell noch einmal, falls sie weitere Hinweise brauchen.«
    » Ich kann auch zur Straße kommen«, bot ich an, weil mir die Stille plötzlich unheimlich war, wenn ich an den grausigen Fund hinter dem Baum unten in der Senke dachte.
    » Bleiben Sie an Ort und Stelle«, entgegnete die Beamtin bestimmt. » Die Kollegen werden Sie finden.«
    Als sie aufgelegt hatte, sank ich zu Boden, mein Telefon noch immer fest umklammert– mein Rettungsanker. Der Wind hatte aufgefrischt, sodass mir trotz meiner Jacke kalt war. Ich war vollkommen durchgefroren und total erschöpft. Aber das spielte jetzt keine Rolle. Die Polizei wusste Bescheid und würde bald hier sein. Ich musste also nichts weiter tun als warten.

1992
    Seit drei Stunden vermisst
    Als ich Mum rufen höre, laufe ich schnell in die Küche. Anfangs ist es ein komisches Gefühl da drinnen– dunkel und kühl, ich komme mir vor wie unter Wasser. Die Bodenfliesen sind eiskalt unter meinen nackten Füßen. Ich setze mich an den Küchentisch, auf dem zwei Gedecke stehen: eins für mich und eins für Charlie. Mum hat zwei Gläser Milch eingegossen, und ich trinke einen großen Schluck aus dem Glas, das vor mir steht. Die angenehm kühle Flüssigkeit rinnt meine Kehle hinab bis in den Magen und lässt mich ein wenig frösteln. Vorsichtig und geräuschlos stelle ich das Glas wieder ab.
    » Hast du dir die Hände gewaschen?«
    Sie steht am Herd und dreht sich nicht einmal um, als sie diese Frage stellt. Ich schaue mir meine Handflächen an. Sie sind eindeutig zu schmutzig, als dass ich sie hätte belügen können. Seufzend stehe ich auf und gehe zum Spülbecken. Ich lasse das Wasser eine Zeitlang über meine Finger laufen, halte dann beide Hände auf und fülle sie bis zum Überlaufen. Weil ich zu träge bin und Mum gerade nicht hinsieht, benutze ich keine Seife, obwohl meine Hände so verdreckt und verschwitzt sind, dass sie richtig kleben. Das Wasser prasselt geräuschvoll ins Spülbecken und übertönt die Stimme meiner Mutter. Erst als ich den Wasserhahn zudrehe, kann ich sie wieder hören.
    » Ich habe gefragt, wo dein Bruder ist.«
    Die Wahrheit zu sagen, käme mir wie Verrat vor. » Ich habe ihn nicht gesehen.«
    » Und seit wann?« Sie wartet meine Antwort nicht ab, sondern geht zur Hintertür und schaut hinaus. » Also wirklich, er weiß doch ganz genau, dass er nicht zu spät zum Essen kommen soll. Wehe, wenn du als Teenager auch so aufmüpfig wirst.«
    » Aber er ist doch gar kein Teenager.«
    » Noch nicht, aber er benimmt sich manchmal so.

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