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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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hielt den Blick noch immer abgewandt. Manche Dinge durfte ich einfach nicht sehen, weil ich genau wusste, dass ich sie nie wieder vergessen konnte. Mir lief die Nase, und ich schniefte verzweifelt. » Könnte ich bitte ein Taschentuch haben?«
    » Dann gibt es noch Stufe vier«, fuhr Grange fort, ohne auf meine Bitte einzugehen. » Penetrative Sexualhandlungen aller Art– Kinder untereinander, Kinder mit Erwachsenen. Dazu gehört auch Oralsex, wie Sie hier sehen können.«
    Zwei weitere Fotos wanderten über den Tisch, wobei eines über die Kante glitt und auf dem Boden landete, sodass ich es aus dem Augenwinkel wahrnahm. Noch ehe ich meinen Blick abwenden konnte, hatte ich seinen Inhalt erfasst. Ich reagierte prompt und buchstäblich aus dem Bauch heraus, indem ich meinen Kopf zur Seite beugte und mich erbrach. Mit einem erstickten Schrei stieß Grange seinen Stuhl zurück und sprang beiseite, allerdings nicht schnell genug, sodass Spritzer von Erbrochenem auf seinen makellosen Hosenbeinen und Schuhen landeten, doch mir war viel zu übel, um mir darüber Gedanken zu machen.
    » Halten Sie das Band an, Chris«, wies Grange seinen Kollegen an, woraufhin dieser mit einem eilig gemurmelten » Vernehmung um 18.25 Uhr unterbrochen« das Tonbandgerät ausschaltete.
    Ich bekam nur halb mit, dass Grange den Raum verließ und eine uniformierte Polizistin hereinkam. Cooper und die Beamtin brachten mich in ihrer Mitte in einen anderen Vernehmungsraum, und ich bekam einen Becher Wasser. Ich spülte meinen Mund aus und fühlte mich grauenhaft. In meinem Kopf hämmerte es, und mein Rachen war wie entzündet. Da ich seit Stunden nichts gegessen hatte, hatte ich fast nur Magensäure erbrochen.
    Sie warteten ungefähr zwanzig Minuten und machten dann mit der Vernehmung weiter. Als Grange hereinkam, fiel mein Blick unwillkürlich auf seine Hosenaufschläge. Sie hatten noch feuchte Flecken, weil jemand versucht hatte, den Stoff mit einem Schwamm sauber zu wischen. Er hielt die Zähne fest zusammengepresst, beherrschte sich aber, als er wieder mit mir sprach.
    » Fühlen Sie sich in der Lage, diese Vernehmung fortzusetzen?«
    » Ja.« Meine Stimme war rau, sodass ich mich räuspern musste, was recht unangenehm war.
    » Möchten Sie noch ein Glas Wasser?«, erkundigte sich Cooper.
    » Nein danke«, flüsterte ich.
    Grange lehnte sich zurück. » Gut, machen wir also da weiter, wo wir aufgehört haben.«
    » Bitte keine Fotos mehr«, sagte ich hastig. » Sie haben sich deutlich genug ausgedrückt.«
    » Stufe fünf fehlt noch. Wollen Sie nicht wissen, was es damit auf sich hat?«
    Ich ballte die Fäuste und versuchte mich zu beherrschen. Der Detective litt unverkennbar am Kleiner-Mann-Syndrom. Laut zu werden und seine Autorität in Frage zu stellen würde also rein gar nichts bringen. Ich musste es mit Höflichkeit versuchen. » Bitte zeigen Sie mir keine Bilder mehr.«
    » Also gut. Wir wollen ja nicht schon wieder den Vernehmungsraum wechseln«, erwiderte er und versuchte dabei witzig zu klingen. Cooper lachte auf. Ich bekam nicht einmal ein Lächeln zustande.
    » Kommen wir also zurück zu Ihnen und Daniel Keane«, erklärte Grange, und seine gute Laune war wie weggeblasen. » Ich bin bereit zu glauben, dass Sie nicht direkt an den Missbrauchshandlungen beteiligt waren. Ebenso nehme ich Ihnen ab, dass Sie derartige Fotos noch nie zuvor gesehen haben. Dennoch bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass Sie das ganze Szenario um Jennifer Shepherd maßgeblich mitgeplant haben, um einen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen.«
    » Das ist vollkommen absurd.«
    Grange kniff die Augen zusammen. » Es muss eine katastrophale Erkenntnis für Sie gewesen sein, dass Jennifer schwanger war. Möglicherweise wussten Sie gar nicht, dass sie schon ihre Tage hatte. Obwohl sie noch sehr kindlich aussah, menstruierte sie schon seit etlichen Monaten. Ihnen war klar, dass die ganze Sache auffliegen würde, sobald ihre Eltern von der Schwangerschaft erfuhren. Sie wussten, dass Sie dafür vor Gericht enden würden und mit einer beträchtlichen Strafe zu rechnen hätten. Immerhin haben Sie ein Mädchen zu Missbrauchszwecken vermittelt und sich daran bereichert. Sie mussten davon ausgehen, dass Ihnen nach Ihrer Entlassung aus dem Gefängnis– was ganz sicher keine angenehme Erfahrung sein dürfte, das ist Ihnen vermutlich klar– nicht mehr gestattet würde, mit Kindern zu arbeiten, und dass Sie auf dem Arbeitsmarkt kaum noch vermittelbar wären. Für Sie

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