Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing
Kopf verschwanden. Dann setzte ich erneut an.
» War es deine Idee, das Internet zu nutzen, um Videos und Bilder von ihr zu verkaufen?«
Paul schüttelte wiederum den Kopf und zuckte dann die Schultern. » Mehr oder weniger. Danny hat es vorgeschlagen, aber ich musste rauskriegen, wie es funktioniert– unsere IP verbergen, Webspeicher für die Bilder auftreiben, Websites bauen.« Trotz allem hörte es sich an, als sei er stolz auf das, was er geleistet hatte. » Wir haben echt Geld verdient. Leute überall auf der Welt haben unsere Sachen gekauft.«
Ich konnte es nicht mehr ertragen. » Aber Jenny musste leiden, damit ihr diese Bilder machen konntet.«
» Kann schon sein«, murmelte Paul und verzog das Gesicht.
» Nein, kann eben nicht sein. Du sprichst darüber wie über ein ganz normales Geschäft, aber Jenny wurde missbraucht, Paul. Erzähl mir nicht, dass du nichts davon wusstest.«
Er versuchte sich herauszureden. » Ich wusste eigentlich nicht so richtig, was da vor sich ging. Ich musste immer in meinem Zimmer bleiben, wenn sie… Sie wissen schon.«
Ich konnte es mir vorstellen.
» Hast du die anderen Männer gesehen, wenn sie zu euch kamen?«
» Nein, ich musste oben bleiben.«
» Weißt du, was sie bei euch gemacht haben?«
» Hörte sich an wie ’ne Party.« Man sah jetzt deutlich, dass ihm unbehaglich zumute war. Ich fragte mich, was er wohl gehört hatte und wie es Danny gelungen war, seine » Freundin« zu überreden, diesen Männern gefügig zu sein. Ich fragte mich, ob sie manchmal geschrien hatte.
» Du hast also nie etwas gesehen, wenn die Bilder und Videos entstanden sind. Hast du dir hinterher die Aufnahmen angesehen?«
» Nein.« Das war eine faustdicke Lüge. Seine Ohren glühten tiefrot, aber er wich meinem Blick nicht aus. » Danny hat immer gesagt, dass er die ganze Geschichte sofort abbläst, wenn er mich dabei erwischt. Er hat gesagt, dass er mich grün und blau prügelt. Ich sollte nur alles vorbereiten, damit er es hochladen kann.«
» Hat er dich geschlagen?« Absurderweise hoffte ich, dass er das bejahen würde. Wäre er misshandelt worden, hätte er zumindest einen überzeugenden Grund gehabt, den Plan mitzutragen.
» Nee. Alles nur Gelaber, nichts dahinter. Ich zieh dir das Fell über die Ohren. Ich schlag ihm den Schädel ein. Ich reiß ihr den Kopf ab. Scheiß dies, scheiß das…« Paul lachte. » Er muss sich ständig wegen irgendwas aufregen. Ich höre meistens gar nicht mehr zu.«
» Du hast gesagt, dass er Schluss machen wollte, falls du dir die Bilder anschaust. Wolltest du denn nicht, dass er damit aufhört?«
» Auf keinen Fall. Es war wirklich toll, wissen Sie. Jenny war meistens bei uns. Sie hatte immer gute Laune; vielleicht ab und zu mal ein bisschen verheult, aber das ist bei Mädels nun mal so. Und Danny war heilfroh, dass wir nicht mehr ständig pleite waren. Ich konnte dabei helfen. Es war klasse, dass endlich Geld reinkam. Ich hab mitgemacht, wegen Danny.«
Ich räusperte mich. » Und bekam Jenny Geld für das, was sie getan hat?«
Er schaute mich fragend an. » Ich glaube nicht. Wahrscheinlich wollte sie nichts dafür haben. Denn das hätte sie ja dann vor ihren Eltern verstecken müssen, und das wäre ein bisschen viel Mühe gewesen, nehme ich an. Sie wollte einfach nur mit Danny zusammen sein.«
Dieses arme, naive Mädchen– vernarrt in einen Mann, der sie missbrauchte, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Welche Tragik, dass sie in so jungen Jahren einen solchen Typen kennen lernen musste. Noch tragischer war, dass Danny mit seinen Rehaugen und den feinen Gesichtszügen nicht übel aussah– genau der Typ, auf den Teenie-Mädels stehen. Und die größte Tragödie war die Tatsache, dass er bereit war, sie umzubringen, als sie ihm nichts mehr nützte.
» Dann erzähl doch bitte mal, wie sie ums Leben gekommen ist.« Mein Tonfall war neutral, als wäre die Frage nicht sonderlich wichtig, aber meine Hände waren schweißnass dabei. Verstohlen wischte ich sie an der Bettdecke ab und merkte, wie Vickers und Blake sich nach vorn beugten, kaum zu atmen wagten und warteten, dass Paul redete.
Er runzelte die Stirn. » Darüber weiß ich nichts. Wirklich. Das habe ich Ihnen doch schon gesagt, als Sie bei uns waren.«
Ich nickte. Das hatte er tatsächlich gesagt. Und soweit ich es beurteilen konnte, klang es auch durchaus glaubwürdig. Dann war es Danny also gelungen, Jenny zu töten und hinter Pauls Rücken beiseitezuschaffen. Vermutlich
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