Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing
gewesen.
Blake ließ die Tür zufallen und sagte zu Vickers, so als wären sie allein: » Wir sind auf der richtigen Spur.«
Vickers produzierte einen kehligen Laut, der sich anhörte wie das zufriedene Schnurren einer Katze, die ihre Beute zur Strecke gebracht hat. Er wandte sich an Paul. » Wir lassen dich jetzt in Ruhe, junger Mann. Erhol dich, und mach dir keine Gedanken wegen dieser ganzen Sache hier.«
Seine Worte waren freundlich gemeint und ausgesprochen, doch Paul wirkte vollkommen ungerührt. Er schloss die Augen und sperrte uns aus seiner Welt aus. Mich beschlich das Gefühl, dass Vickers falsch lag und Paul allen Grund zur Sorge hatte. Ich fragte mich, wie man mit einem solchen Fall umgehen würde– ob er mit einer Anklage zu rechnen hatte oder ob er wegen seines Alters und seiner Kooperationsbereitschaft lediglich unter Fürsorge gestellt werden würde. Er hatte ja niemanden, der sich um ihn kümmern konnte. Wie auch immer man es nahm, er war ganz auf sich allein gestellt.
Als ich merkte, dass sie mich zurücklassen wollten, sprang ich auf und rannte hinter Blake her, der seinerseits Vickers aus dem Zimmer folgte.
Die drei Beamten steckten bereits die Köpfe im Flur zusammen, als ich sie erreichte. Leise schloss ich die schwere Tür hinter mir und wartete, bis sie fertig waren. Der Stiernacken empfing seine Anweisungen. Beflissen nickte er, während Vickers so leise mit ihm sprach, dass ich nichts verstehen konnte. Nach ein paar Minuten löste sich der stämmige Beamte aus der Gruppe, murmelte ein » Entschuldigung« in meine Richtung und ging zurück in Pauls Zimmer. Dieser Wachwechsel bedeutete vermutlich, dass Vickers und Blake etwas Wichtigeres zu tun hatten.
» Haben Sie ihn gefunden?«
Sie drehten sich erschrocken um, und Blake schaute fragend zu Vickers, ob er mir sagen durfte, was los war. Der alte Mann nickte.
» Daniel Keane wurde vor einer Stunde am Busbahnhof Victoria Coach Station aufgegriffen. Man hat ihn abgepasst, als er in einen Bus nach Amsterdam steigen wollte. Er wird gerade überstellt, deshalb müssen wir schnell ins Revier zurück.«
» Das ist ja großartig«, sagte ich und war ehrlich froh. » Bestellen Sie ihm schöne Grüße von mir, falls Sie Gelegenheit dazu haben.«
» Oh, wir werden ihn auf jeden Fall auf Sie ansprechen, darauf können Sie sich verlassen. Er wird uns eine Menge zu erklären haben.«
Vickers sah ungeduldig aus. » Wir müssen los, Andy. Tut mir leid, Sarah, aber wir sind ziemlich in Eile.«
» Alles klar, verstehe.«
» Ist es okay für Sie, von hier aus allein nach Hause zu fahren?«, erkundigte sich Blake noch. » An der Anmeldung können Sie sich ein Taxi bestellen.«
» Ich komme schon zurecht. Wahrscheinlich schaue ich noch mal bei Geoff vorbei, ehe ich heimfahre.«
Keiner der beiden reagierte. Ich schaute von einem zum anderen und sah jeweils den gleichen Gesichtsausdruck. » Was ist denn los?«
» Sarah …«, setzte Blake an, doch Vickers fiel ihm ins Wort.
» Es tut mir leid, aber er ist tot.«
» Tot?«, wiederholte ich dümmlich in der Hoffnung, mich verhört zu haben.
» Er ist heute kurz nach vierzehn Uhr gestorben«, teilte mir der Inspektor mit sanfter Stimme mit. » Er ist nicht wieder zu sich gekommen.«
» Aber… aber sie waren doch eigentlich zuversichtlich gewesen.« Ich konnte es kaum fassen.
» Er hatte eine schwere Gehirnblutung durch die Kopfverletzungen infolge des Überfalls«, erklärte Blake im Zeitungsstil. » Sie konnten nichts mehr für ihn tun. Es tut mir leid.«
» Nun sind es schon zwei«, flüsterte ich.
» Zwei?«
» Jenny und Geoff. Zwei Menschen, die noch leben könnten. Zwei Menschen, die nicht verdient haben, was ihnen zugestoßen ist.« Meine Stimme kam mir fremd vor– leblos und hart. » Lassen Sie ihn auf keinen Fall entkommen.«
» Bestimmt nicht«, antwortete Blake entschlossen.
» Suchen Sie sich am besten ein ruhiges Plätzchen, und setzen Sie sich noch einen Moment lang hin«, schlug Vickers vor. » Atmen Sie kurz durch, und dann fahren Sie nach Hause und ruhen sich aus. Sollen wir jemanden benachrichtigen?«
Ich schüttelte den Kopf.
Er zog eine dicke, braune, speckig glänzende Brieftasche hervor und nahm eine Visitenkarte heraus. » Wenn Sie etwas brauchen, meine Nummer finden Sie hier«, sagte er. » Rufen Sie mich an, wenn es nötig ist.«
» Vielen Dank.«
» Das meine ich ernst.« Er streckte die Hand aus und strich mir über die Schulter.
» Gut.« Ich tat geschäftig
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