Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing
Wodkaflasche hoch und schüttelt sie, sodass der letzte Schluck, der noch darin war, herausschwappt. Ich drücke mich fester an Mark und hoffe, dass er Nein sagt. Mir ist schlecht. Ich möchte eigentlich nur, dass er den Arm um meine Schultern legt und mit mir redet, in seiner lustigen, aber ruhigen Art. Es ist gar nicht so wichtig, was er sagt. Es geht nur um das gute Gefühl, das er mir gibt.
» Es ist zu dunkel«, sagt ein Mädchen, und ein anderer– Dave– holt eine Fahrradleuchte und schaltet sie ein. Die Gesichter in der Runde sind schlaff vom Alkohol, die Augenlider schwer und die Lippen speichelfeucht. Ich habe nicht so viel getrunken wie die anderen und überhaupt keine Lust auf Flaschendrehen, nicht mit denen, nicht jetzt und nicht hier. Es ist spät, und ich bin müde. Immer wieder taste ich nach dem Schlüssel in meiner Hosentasche– ich werde mich leise ins Haus schleichen, ehe Mum merkt, dass ich draußen war.
Ganz unvermittelt fasse ich einen Entschluss. Ich stehe auf, und sofort prustet Annette los. » Na, keine Lust mehr, Sarah?«
» Ich geh heim.« Ich steige über diverse Beine und krieche unter überhängenden Zweigen durch, bis ich im Freien stehe. Da raschelt es hinter mir, und Mark taucht auf– begleitet vom Gespött seiner Kumpels. Er legt den Arm um mich, und mir wird warm. Ich fühle mich behütet. Erst denke ich, dass er mich nach Hause bringen will– doch er führt mich weg vom Weg, zur Hütte des Parkwächters, die ein paar hundert Meter entfernt steht.
» Bleib«, flüstert er in mein Haar. » Geh noch nicht.«
» Ich möchte aber.« Ich reiße mich halb von ihm los und lache verunsichert. Er hält mich fester am Arm. » Au. Du tust mir weh!«
» Halt die Klappe. Halt einfach die Klappe«, sagt er und zerrt mich hinter sich her bis zu der kleinen Hütte.
» Mark«, protestiere ich, aber er drückt mich so heftig an die Wand, dass ich mit dem Kopf dagegenschlage. Dann fühle ich auch schon seine Hände auf mir, er begrapscht mich, befühlt mich, forscht. Vor Schreck und Schmerz schnappe ich nach Luft. Er kichert leise und macht immer weiter, traktiert mich mit seinen Händen. Plötzlich höre ich ganz in der Nähe ein Geräusch. Ich drehe mich danach um und sehe Stu, und gleich danach taucht Dave neben ihm auf. Ihre Augen sind ganz groß und neugierig. Sie sind da, damit ich nicht weglaufen kann. Sie sind da, um zuzusehen.
» Das gefällt dir doch, gib’s zu«, sagt Mark. Er packt mich an den Schultern und stößt mich zu Boden, sodass ich direkt vor ihm auf die Knie falle. Ich verstehe, ich weiß, was er von mir will. Schwer atmend fummelt er an seiner Jeans herum. Ich mache die Augen zu und fühle, wie die Tränen hinter meinen Lidern hervorquellen. Ich will nach Hause. Ich habe Angst vor dem, was er von mir will, aber ich habe auch Angst, Nein zu sagen.
» Mach den Mund auf«, sagt er und ohrfeigt mich, damit ich ihn ansehe, damit ich sehe, was er in der Hand hat. » Jetzt mach schon, Schlampe. Wenn du nicht willst, gibt es genug andere, die sich nicht zweimal bitten lassen.«
Ich kann nicht sehen, was passiert, doch plötzlich ist da ein helles Licht, das rot durch meine geschlossenen Augen scheint. Dave flucht, und vor Angst hat er eine ganz hohe Stimme. Die beiden Jungs rennen davon, ihre Füße rutschen auf dem nassen Gras aus, und noch bevor Mark reagieren kann, gibt es ein hohles Geräusch, er krümmt sich und fällt mit zuckenden Beinen zur Seite. Ich springe auf. Meine Augen sind halb blind von dem grellen Licht, das ein gebündelter Strahl ist. Er stammt aus einer Taschenlampe, wie ich jetzt erkenne. Die Person, die die Lampe hält, wendet das Licht wieder von mir ab und lässt es über Marks Körper gleiten, über seine untere Körperhälfte, wo sich seine Hose und Unterhose an den Fußgelenken stauen.
» Du mieses Stück Dreck«, sagt der mit der Taschenlampe, und zuerst denke ich, er meint mich. » Hast du keine in deinem Alter gefunden? Statt andere auszunutzen…«
Er geht auf Mark zu und tritt nach ihm. Er trifft ihn hart am Oberschenkel, und Mark stöhnt auf. Der Schein der Taschenlampe schwankt, und für einen kurzen Augenblick sehe ich in ein Gesicht, das ich kenne: Es ist Charlies Freund Danny Keane. Das verstehe ich nicht. Ich weiche zurück, und die Taschenlampe leuchtet für einen Moment ins Leere, findet mich wieder, leuchtet über meinen Oberkörper. Mein T-Shirt ist zerrissen, wie ich entsetzt feststelle. Ich zupfe an den Fetzen und versuche,
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