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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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zugeben– nicht wenn es niemanden gab, dem er die Schuld in die Schuhe schieben konnte.
    » Woher wollen Sie denn wissen, dass er sich das nicht alles bloß ausgedacht hat?« Mums Stimme war fest, doch ihr Blick wirkte angestrengt.
    » Wir denken, dass er uns die Wahrheit gesagt hat, Mrs. Barnes. Andernfalls wären wir nicht hier«, erklärte Vickers geduldig. » Danny hat keinen Grund, uns wegen Charlie zu belügen.«
    Ich räusperte mich, und alle drei schauten plötzlich zu mir. Die Beamtin war sogar zusammengezuckt, als hätte sie vergessen, dass ich auch noch da war. » Was ist eigentlich mit Dannys Mutter passiert? Derek hat sie auch umgebracht, nicht wahr– nur wenige Jahre nach Charlie?«
    Vickers seufzte. » Es gab damals jede Menge Klatsch und Tratsch über den jüngeren Sohn Paul. Die Leute behaupteten, er sei gar nicht Dereks Kind, sondern gezeugt worden, als Derek 1995 im Gefängnis saß. Die Daten passen allerdings nicht zusammen, und Ada hätte sich niemals getraut, ihren Mann zu betrügen, selbst als dieser sicher verwahrt in Pentonville saß. Aber allein die Gerüchte reichten aus, um Derek auf die Palme zu bringen. Ada endete mit gebrochenem Genick am Fußende ihrer Treppe, und es lagen jede Menge Beweise vor, dass sie verprügelt worden war. Man hätte ihn wegen Mordes anklagen sollen, aber sie hielten eine Verurteilung wegen Totschlags für angebrachter.« Vickers schüttelte den Kopf. » Geschworene sind manchmal seltsam, wenn es um Tötungsdelikte im häuslichen Umfeld geht. Man weiß nie, wie sie sich entscheiden. Es muss nur so ein Großmaul dabei sein, das seiner eigenen Frau nicht ganz traut und sich deshalb für den Beschuldigten stark macht, und schon hat man die Partie verloren. Die sind wie die Schafe– wo einer hinrennt, kommen die anderen hinterher, selbst wenn es wider alle Vernunft ist. Fünf Jahre hat er bekommen, nach drei Jahren war er schon wieder draußen. Aber es dauerte nicht mehr lange, bis seine Glückssträhne vorbei war.« In Vickers Stimme schwang unüberhörbar eine gewisse Genugtuung mit. » Er war erst ein paar Monate wieder zu Hause, da musste er schon vor seinen Schöpfer treten. Eines Nachts war er spät aus der Kneipe wiedergekommen und stürzte zu Hause die Treppe hinunter. Schädelbruch. Er ist nie wieder aufgewacht.«
    Diese Duplizität der Ereignisse konnte Vickers unmöglich entgangen sein. Ada war auf dieselbe Weise gestorben. Ich fragte mich, und dabei lief es mir kalt den Rücken hinunter, ob das möglicherweise Dannys erster Mord gewesen war. Doch danach zu urteilen, was wir an diesem Abend gehört hatten, hatte Derek es mehr als verdient. Es ist ziemlich sicher, dass niemand Derek Keane eine Träne nachgeweint hat.
    » Die beiden Jungs waren also nun auf sich gestellt. Danny war achtzehn, als seine Mutter starb, und hat Paul so ziemlich allein großgezogen. Sie wollten Paul zu Pflegeeltern geben, doch Danny gelang es, sie zu überzeugen und Paul bei ihm zu lassen. Zu dieser Zeit war es gerade angesagt, Familien möglichst nicht auseinanderzureißen– ob das nun gut war, sei dahingestellt.« Vickers zuckte die Schultern. » Man möchte annehmen, dass es ihm in einer Pflegefamilie oder als Adoptivkind wohl besser ergangen wäre. Mit einem solchen Erbe hatte er doch eigentlich keine Chance.«
    Wir saßen einen Moment lang schweigend da und sinnierten über das Schicksal der Familie Keane. Doch plötzlich rührte sich Mum wieder. » Und was passiert jetzt?«
    Ich schaute sie an und musste ein zweites Mal hinsehen, ja eigentlich starrte ich sie regelrecht an. Ihre Gesichtszüge hatten sich auf geheimnisvolle Weise geglättet– sie hatten den verkrampften Ausdruck, den ich so sehr hasste, verloren. Einen Augenblick lang konnte ich die Frau erkennen, die ich nur von Fotos aus der Zeit vor Charlies Verschwinden kannte. Sie war sehr schön.
    » Jetzt müssen wir noch Charlie finden«, sagte Vickers ruhig. » Wir werden das Gebiet absuchen, das Danny uns beschrieben hat. Morgen früh um sieben fangen wir an. Wir nehmen Danny mit, damit er uns zeigen kann, wo sein Vater seiner Erinnerung nach gegraben hat. Die beiden sind damals vom Absperrtor noch ein gutes Stück weitergelaufen. Ich hoffe, dass er den Ort wiedererkennt, wenn er ihn sieht, damit er uns helfen kann, die in Frage kommende Fläche etwas einzugrenzen. Ansonsten kann die Suche Wochen dauern.«
    » Haben Sie denn keine Hightech-Ausrüstung, so wie man es immer im Fernsehen sieht?«, erkundigte ich

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