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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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mich mit zornigem Blick an.
    » Das ist wieder mal typisch für dich. So typisch. Alles musst du kaputt machen, was mir am Herzen liegt.«
    » Das war doch keine Absicht. Die Bücher sind doch schon alt und waren ziemlich billig. Wahrscheinlich ist das Plastikzeug einfach brüchig geworden.«
    » Ja, ja, dir bedeuten sie nicht viel, ich weiß schon. Aber mir sind sie wichtig, Sarah.« Ihr Stimme wurde immer lauter und höher. » Schau es dir an. Es ist völlig ruiniert!«
    Ruiniert war maßlos übertrieben. » Wir können es doch wieder kleben«, sagte ich und hasste es, in der Defensive zu sein.
    » Nein, das können wir nicht. Du wirst sie nämlich nie wieder anrühren.« Erbittert nahm sie die Bücher vom Tisch und umschlang sie mit den Armen. » Du bist ein rücksichtsloser Trampel– schon immer gewesen. Vor allem, wenn es um deinen Bruder geht.«
    » Was soll denn das heißen?«
    » Das brauche ich dir wohl nicht zu erklären«, fauchte Mum und erhob sich schwerfällig, noch immer die Alben umklammernd. » Du hast ihn doch immer abgelehnt. Immer.«
    » Das ist doch überhaupt nicht wahr. Ich…«
    » Es ist mir egal, Sarah!« Ihre Worte trafen mich wie Peitschenhiebe, und ich zuckte zusammen. » Du bist eine ganz große Enttäuschung für mich. Mein einziger Trost ist es, dass dein Vater nicht mehr erleben muss, was aus dir geworden ist. Er wäre tief enttäuscht, wenn er das wüsste.«
    » Wenn er was wüsste?« Ich stand ebenfalls auf und zitterte. » Dass ich hier bei dir wohne und den Babysitter spiele, anstatt mein eigenes Leben zu leben? Oder welche Chancen ich habe sausen lassen, nur um dich nicht allein zu lassen?«
    » Ich habe dich nie darum gebeten zurückzukommen«, zischte sie. » Das hat überhaupt nichts mit mir zu tun, sondern einzig und allein damit, dass du dein Leben nicht in die Hand nimmst. Es ist doch so viel bequemer, hier hocken zu bleiben und mich für das Leben, das du führst, zu verachten, anstatt endlich deinen eigenen Weg zu gehen. Aber dafür kannst du mich nicht verantwortlich machen. Ich will dich nicht hierhaben. Ich wäre viel lieber allein.«
    » Ach so, weil du während meines Studiums so prima klargekommen bist. Du würdest doch keine Woche überstehen«, entgegnete ich kühl. » Es sei denn, du willst unbedingt sterben. Dann ist es in der Tat unpraktisch, mich hier zu haben, wenn du dich zu Tode saufen willst.«
    » Untersteh dich!«
    » Untersteh dich! Du solltest mich besser nicht dazu auffordern auszuziehen. Ich könnte es nämlich wahrmachen, verstehst du?«
    » Darauf wage ich kaum zu hoffen«, konterte Mum.
    Ich sah sie lange an. » Du hasst mich aus tiefster Seele, oder?«
    » Nein, ich hasse dich nicht. Ich brauche dich bloß nicht.«
    Lügen im Doppelpack. Aber sie wusste genauso gut wie ich, dass es ohnehin keine Rolle spielte. Was auch immer sie sagte– ich konnte nicht einfach gehen und sie auch nicht.
    Ohne ein weiteres Wort ging ich an ihr vorbei und nach oben in mein Zimmer, wo ich wütend die Tür hinter mir zuknallte. Mit dem Rücken zur Tür schaute ich mich– zum ersten Mal seit langem– aufmerksam im Zimmer um. Es war deprimierend zu erkennen, wie wenig sich seit meiner Kindheit verändert hatte. Der Raum war klein und wurde dominiert von meinem Doppelbett, das ich mir von meinem ersten Gehalt gegönnt hatte, um mich wenigstens ein bisschen erwachsener zu fühlen. An dem winzigen Schreibtisch, der nur mit Müh und Not unter dem Erkerfenster Platz fand, hatte ich stundenlang, die Füße auf der Heizung, für zahllose Prüfungen gebüffelt. Neben dem Bett stand ein Regal, das vollgestopft war mit Büchern, die ich für die Uni und davor gelesen hatte– vor allem Klassiker, schon ganz abgegriffen vom vielen und wiederholten Lesen. Außerdem standen noch eine Kommode und ein Nachttisch im Zimmer, weiter nichts. Nichts spiegelte meinen persönlichen Geschmack. Nichts, das ich je vermissen würde– abgesehen vom Foto meines Vaters.
    Irgendwo im Zimmer surrte eine Fliege. Ich ging hinüber, öffnete das Fenster und blieb dann vor dem Schreibtisch stehen, wo ich ziellos Schubladen öffnete und wieder schloss, ohne etwas Konkretes zu suchen. Die Schubladen waren vollgestopft mit Kontoauszügen, Quittungen und alten Ansichtskarten, die ich von Kommilitonen bekommen und nie aussortiert hatte. Bin am Strand eingeschlafen und hab mir den Rücken verbrannt! Griechenland ist herrlich – muss bald wieder herkommen! Oder: Alain ist echt süß und ein total guter

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