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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Warenablage. Mum stößt mich von hinten an. » Geh einpacken.«
    Ich würde eigentlich lieber unseren Wagen ausräumen. Es macht mir Spaß, auf dem Förderband alles so anzuordnen, dass keine Lücken entstehen. Mum dagegen wirft die Lebensmittel, die wir ausgesucht haben, achtlos auf das Band. Die Bananen hängen über den Rand, und die Konservengläser kullern jedes Mal klappernd umher, wenn das Band anruckt. Ich nehme mir einen Plastikbeutel und beginne ihn zu füllen. Ich hasse Mum, wirklich wahr. Einpacken macht überhaupt keinen Spaß. Mit Absicht packe ich schwere Dosen oben auf das Obst und presse viel zu viel in den Beutel, damit er ausleiert und ein Stück einreißt. Als ich aufblicke, ist Mum verschwunden, der Einkaufswagen steht noch vorn am Band. Für einen Moment gerate ich in Panik.
    Die Kassiererin zieht ein weiteres Glas über den piepsenden Scanner. » Keine Sorge. Sie ist nur noch etwas holen gegangen.« Sie beäugt den Beutel in meiner Hand und greift zum Tütenspender. » Willst du eine neue haben?«
    Ich nicke und beobachte dann angeekelt, wie sie ihre Finger anleckt und das obere Ende der Tragetasche dazwischen reibt, damit sie sich öffnen lässt. Ich will sie am liebsten gar nicht anfassen, weil überall ihre Spucke dran ist, aber mir fällt nichts ein, wie ich es vermeiden könnte. Also fülle ich sie und danach noch eine, aber Mum ist noch immer nicht zurück. Die Kassiererin sieht mich jetzt an und runzelt die Stirn ein bisschen. Ich werde rot im Gesicht. Wenn Mum nicht wiederkommt, kann ich doch den Einkauf gar nicht bezahlen. Und nach Hause bekomme ich die Sachen auch nicht.
    Doch plötzlich ist sie wieder da und hat den Arm voller Flaschen, die sie ganz ans Ende des Förderbandes stellt; drei Glasflaschen mit einer klaren Flüssigkeit. Alle haben einen silbernen Deckel und ein blaues Etikett, das von mir abgewandt ist. Die Frau scannt sie eilig, und Mum packt sie selbst in einen Beutel, nachdem sie mich beiseitegeschoben hat. Dann bezahlt sie und reicht dazu ihre Geldkarte hinüber. Als die Kassiererin den Namen liest, blickt sie auf, die Lippen zu einem verblüfften O geformt. Während Mum auf den Kassenzettel wartet, schaue ich die Kassiererin warnend an, damit sie nur ja keinen Kommentar dazu abgibt.
    Draußen vor dem Supermarkt helfe ich Mum, alles ins Auto zu laden. Schweigend fahren wir nach Hause. Als wir dort angekommen sind, geht sie als Erstes zum Kofferraum und nimmt den einzelnen Beutel heraus. Er klirrt melodisch. Flaschen.
    » Ich helfe dir, die Tüten reinzutragen.«
    » Geh bitte einfach ins Haus.«
    Sie schließt auf und schiebt mich zur Tür hinein. Dann geht sie schnurstracks in die Küche und nimmt ein Glas aus dem Schrank. Vom Eingang aus beobachte ich, wie sie sich an den Tisch setzt und die erste Flasche aus dem Beutel öffnet. Was sie in ihr Glas gießt, sieht aus wie Wasser. Sie schüttet das Glas in einem einzigen Zug hinunter und sitzt danach einen Moment lang mit geschlossenen Augen und komischem Gesicht da. Dann gießt sie sich noch ein Glas ein und tut wieder dasselbe. Und dann das Ganze noch einmal.
    Die anderen Einkäufe bleiben im Kofferraum, und ich stehe wie angewurzelt im Eingang. Ich warte und sehe zu, wie meine Mutter zum ersten Mal vor meinen Augen trinkt und trinkt und trinkt– als wäre sie völlig unbeobachtet, als wäre ich gar nicht da.

7
    Nachdem ich mich hingelegt und das Licht ausgeschaltet hatte, gab ich mir die allergrößte Mühe, einen klaren Kopf zu bekommen, aber mit der Dunkelheit kamen die Erinnerungen wieder– Bildfetzen der vergangenen Tage. Ein toter Zweig auf dem Waldboden, daneben eine blasse Hand im Gras. Ein gewelltes Plakat mit einem grünen Kanal darauf. Blake, wie er mit geschlossenen Augen auf der Wiese liegt. Glassplitter auf dem Asphalt. Ein gewalttätiger Mann, der aus dem Dunkeln auf mich zukommt. Vor allem das Letzte ließ mich nicht los. Ich konnte kein Gesicht damit verbinden; mir war völlig unklar, wer mich da angegriffen hatte. Ich sollte es am besten einfach vergessen. Aber das gelang mir nicht.
    Wie unter Zwang musste ich immer wieder darüber nachdenken, was mir aufgefallen war, ob ich ihn vielleicht kannte oder ob ich ihn möglicherweise wiedererkennen würde. Wie die meisten Männer war er größer gewesen als ich, so eins siebzig bis eins achtzig, nahm ich an. Obwohl er schlank war, hatte er ziemlich viel Kraft. Er trug dunkle Schuhe, wahrscheinlich Turnschuhe, denn er war nahezu lautlos wieder

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