Die Vernetzung der Welt: Ein Blick in unsere Zukunft (German Edition)
werden. Zeugen werden das Gesehene mit ihrem Handy aufzeichnen und Täter und Opfer durch Gesichtserkennungssoftware fast augenblicklich identifizieren können, ohne sich selbst in Gefahr zu begeben. Die digitalen Informationen über Delikte oder gewaltsame polizeiliche Übergriffe werden automatisch in der Cloud abgelegt (weshalb sie auch beim Verlust des Telefons erhalten bleiben) und könnten direkt an internationale Beobachter oder Richter geschickt werden. Ein internationales Gericht könnte Ermittlungen aufnehmen und gegebenenfalls ein virtuelles Verfahren einleiten, das im betreffenden Land, in dem der Täter noch auf freiem Fuß ist, virtuell verbreitet wird. Das Risiko der öffentlichen Ächtung und der internationalen Strafverfolgung mag zwar die Rädelsführer nicht abschrecken, doch so mancher Fußsoldat könnte es sich zweimal überlegen, ehe er zur Gewalt greift. Gesicherte Beweise wären vor einem Gerichtsverfahren auf der Internetseite des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag verfügbar, und Zeugen könnten im Schutz des virtuellen Raums aussagen.
Natürlich mahlen die Mühlen der Gerechtigkeit langsam, vor allem im Labyrinth der internationalen Gerichte. Die verbesserte Datenverarbeitung wird zunächst eine bessere Speicherung von gesicherten Beweisen und schließlich eine optimierte Strafverfolgung ermöglichen. Der Internationale Strafgerichtshof oder eine andere Einrichtung könnte beispielsweise kostenlose und länderspezifische Apps zur Verfügung stellen, die die meistgesuchten Verbrecher des jeweiligen Landes zeigen. Wie die «Suchmaschinen aus Fleisch und Blut» könnten die Nutzer damit den Aufenthaltsort von gesuchten Kriminellen ausfindig machen. Über dieselbe Plattform könnten Bürger Belohnungen zur Ergreifung der Täter aussetzen. Das würde dafür sorgen, dass die Täter nicht der Selbstjustiz des Mobs überlassen, sondern der Polizei übergeben und vor Gericht gestellt werden.
Die kollektive Macht des Internets könnte potenzielle Täter vor Gewalttaten, Korruption oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit zurückschrecken lassen. Natürlich wird diese Abschreckung bei abgebrühten Verbrechern kaum Wirkung zeigen, doch Mitläufer gehen mit ihrem Fehlverhalten in Zukunft größere Risiken ein. Vergehen werden nicht nur viel eher dokumentiert und bis in alle Ewigkeit festgehalten, sondern auch einem möglichst breiten Publikum zugänglich gemacht. Wenn Straftaten besser dokumentiert werden, wird auch für potenzielle Überläufer der Anreiz größer, sich nicht zu Komplizen zu machen. Darüber hinaus könnten Informanten im Rahmen eines digitalen Zeugenschutzprogramms neue Identitäten erhalten (siehe Kapitel 2 ).
Die Haltbarkeit der Daten wirkt sich auch auf die juristische Aufarbeitung eines Konflikts aus. Komitees zur Wahrheitsfindung und Versöhnung werden in Zukunft auf gewaltige Mengen von Daten, Satellitenaufnahmen, Amateurvideos, Fotos, Autopsieberichte und Zeugenaussagen zugreifen können (darauf gehen wir im folgenden Kapitel ausführlicher ein). Auch dadurch könnten sich potenzielle Täter abschrecken lassen, weil sie befürchten müssen, später zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Die Speicherung der Daten in der Cloud hat weitere Vorteile für Menschen in Konfliktgebieten: Mit der Archivierung in einem virtuellen Medium werden die Daten dem physischen Zugriff entzogen. Oft werden Bürger vom Ausbruch der Gewalt überrascht, doch in Fällen, in denen sich die Sicherheitslage allmählich verschlechtert, können sie sich auf eine mögliche Flucht vorbereiten. Mit Hilfe von Bildern, Google Maps und GPS können sie selbst noch aus dem Exil ihren Besitzanspruch an Häusern, Grundstücken und Unternehmen wahren. Sie können beispielsweise digitale Kopien ihrer Besitzurkunden in der Cloud ablegen. Die digitalen Plattformen können zur Schlichtung von Besitzstreitigkeiten beitragen. Bürger, die fliehen müssen, können ihr Hab und Gut fotografieren und ihr Haus digital rekonstruieren. Bei ihrer Rückkehr wissen sie genau, was fehlt, und können über soziale Netzwerke nach den gestohlenen Gegenständen suchen (nachdem sie online nachgewiesen haben, dass sie die rechtmäßigen Eigentümer sind).
Neue Interventionen
Mit dem Beginn virtueller Konflikte und automatisierter Kriegführung haben aggressive Staaten in Zukunft mehr Instrumente zur Verfügung. Andererseits haben Bürger, Unternehmen und Regierungen mehr Möglichkeiten zu intervenieren.
Für Staaten wird
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