Die Vernetzung der Welt: Ein Blick in unsere Zukunft (German Edition)
der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die einzige internationale Institution bleiben, die alle Länder repräsentiert und militärische Interventionen legitimiert. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die internationale Gemeinschaft diese Macht wieder nehmen lässt, die sie mit der Gründung der Vereinten Nationen im Jahr 1945 erhielt, auch wenn selbstbewusstere Bürger ihre Regierungen immer vehementer zum Handeln drängen. Doch der Handlungsspielraum für militärische Interventionen wird sich kaum erweitern lassen, denn eine Änderung der Charta der Vereinten Nationen wäre nur mit Zustimmung aller 194 Mitgliedstaaten möglich.
Es gibt jedoch neue Möglichkeiten der Intervention für kleinere Bündnisse. Wir gehen davon aus, dass sich in extremen Situationen Allianzen bilden werden, um beispielsweise die Kampfroboter eines Schurkenstaates zu zerstören. Es ist auch vorstellbar, dass einige NATO -Staaten auf neue Mandate zur Intervention drängen, um mit Truppen die Errichtung von neutralen Zonen und unabhängigen Netzwerken durchzusetzen. In internationalen Sicherheitskreisen könnte dieser Gedanke als Fortsetzung der Doktrin der Schutzverantwortung gesehen werden, mit der der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2011 das militärische Eingreifen der NATO in Libyen autorisierte. [346] Es ist durchaus denkbar, dass die NATO -Staaten in den kommenden Jahren mit Drohnen die Einhaltung eines ersten Drohnenflugverbots über einem Konfliktgebiet überwachen, ohne Truppen zu entsenden.
Doch der politische Druck wird nicht nur von Militärbündnissen wie der NATO ausgehen, sondern auch von spontanen Allianzen von Bürgern und Unternehmen. Natürlich stehen ihnen keine Truppen für eine Bodeninvasion zur Verfügung, doch sie können zum Erhalt der lebenswichtigen Kommunikationsnetze im Konfliktgebiet beitragen. In künftigen Interventionen könnten diese Gruppen das Internet wiederherstellen oder in einer von Rebellen beherrschten Region einen Beitrag zum Aufbau eines unabhängigen und sicheren Netzwerks leisten. Sollte ein Staat das Kommunikationssystem manipulieren, werden in Zukunft internationale Interessengruppen eingreifen und den freien Zugang wiederherstellen, ohne ein Mandat der Vereinten Nationen abzuwarten.
Die Vernetzung ist nicht an sich entscheidend (Zivilisten in Konfliktgebieten haben möglicherweise bereits einen neuen Zugang zu Kommunikationsmitteln) – das Entscheidende ist vielmehr, was die Menschen mit einem schnellen und sicheren Netzwerk bewegen können. Ärzte in improvisierten Krankenhäusern können sich rasch über Ländergrenzen hinweg koordinieren, Medikamente verteilen, den Abwurf von Hilfsgütern arrangieren und die Ereignisse dokumentieren. Rebellen können sicher und außerhalb der staatlichen Kanäle miteinander kommunizieren und haben nützliche Plattformen zur Verfügung, die eine größere Reichweite haben als Funkgeräte. Zivilisten können über sichere Kanäle und Proxyserver mit Verwandten im Exil kommunizieren, um Information weiterzugeben und Geld zu schicken.
Staatenbündnisse könnten Sondereinsatztruppen damit beauftragen, Rebellen bei der Abkopplung vom staatlichen Kommunikationsnetzwerk und dem Aufbau eigener Netzwerke zu unterstützen. Noch werden solche Anstrengungen nur von unabhängigen Akteuren unternommen. Eine Gruppe libyscher Minister berichtete uns zum Beispiel von einem Amerikaner namens Fred, der in einem Boot in der Rebellenhochburg Benghasi eintraf und ein Sammelsurium an Geräten mitbrachte, um den Rebellen beim Aufbau ihres eigenen Kommunikationssystems zu helfen. [347] Als Erstes entfernte Fred die Abhörvorrichtungen des alten Regimes. In Zukunft werden Kampftruppen diese Aufgaben übernehmen, vor allem in Regionen, die nicht so einfach vom Meer aus erreichbar sind.
Auch die Zusammensetzung der Eingreiftruppen wird sich ändern. Staaten mit kleinen Armeen, aber einem starken Technologiesektor werden eine neue Rolle spielen. Heute gehört Bangladesch zu den Ländern, die regelmäßig mit großen Kontingenten an den Friedensmissionen der Vereinten Nationen beteiligt sind. [348] In Zukunft werden Länder mit einer starken Technologiebranche, zum Beispiel Estland, Schweden, Finnland, Norwegen und Chile die neuen Kommunikationsmissionen leiten. Die Koalition der Vernetzten bringt nicht nur den politischen Willen auf, sondern verfügt auch über die digitalen Muskeln in Form von leistungsstarken Geräten, improvisierten mobilen Netzwerken und großer
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