Die Verraeterin
»Es wird nicht gut werden. Sag das nicht! Lüg mich nicht an!«
»Psst.«
Er drückte sie an sich und schaukelte vor und zurück mit ihr, während er mit den Händen über ihren Rücken streichelte und ihr Haar glatt strich. Sie verbarg ihr Gesicht in seinen Armen und zitterte.
Er war noch immer in ihr, pochend heiß und ohne zum Höhepunkt gekommen zu sein. Obwohl sie am liebsten weggelaufen und sich versteckt hätte, fühlte er sich doch so warm, so stark und so … verdammt … so verdammt wunderbar an.
Mein Gott, er war wunderbar.
»Ich hasse dich«, schluchzte sie an seiner Schulter.
»Ich weiß«, murmelte er, ohne mit dem Streicheln innezuhalten. Er drückte einen Kuss auf ihre Haare. »Ich weiß.«
Er ließ ihr Zeit, sich zu beruhigen. Ihr Weinen wurde schwächer und hörte dann ganz auf. Schließlich drückte er sie sanft auf die Matratze und legte sich auf sie. Mit seinen Fingern strich er ihre Tränen fort und küsste sie dann auf die heißen Wangen. Er blickte ihr tief in die Augen und sagte leise: »Ich hasse dich auch, meine Schöne. So sehr.« Sanft fuhr er mit den Lippen über die ihren, wobei er sie kaum berührte. Es war eine unglaublich zärtliche Geste. »So sehr.«
Morgan biss sich auf die Unterlippe und wandte den Kopf ab. Sie konnte es nicht länger ertragen. Die Gefühle waren zu heftig, zu schmerzhaft, zu viel . Er strich ihr über das Gesicht und drehte es dann sanft, sodass sie ihn erneut anschauen musste.
»Versteck dich nicht vor mir. Wenn du bei mir bist, musst du dich nicht verstecken.«
Wieder spürte sie diese schreckliche Beklemmung in ihrer Brust. Wieder traten ihr die Tränen in die Augen. Er küsste ihr eine Träne fort, die über ihre Wange lief, und fing eine andere mit seiner Fingerkuppe auf, um sie wegzuwischen. Erneut wollte sich Morgan abwenden, tat es diesmal aber nicht. Er bemerkte es, und jetzt wurden auch seine Augen feucht.
»Tu és o amor da minha vida« , flüsterte er mit heiserer, erstickter Stimme. Er küsste sie mit einer Verzweiflung, die ihr fast den Atem raubte. Derselben Verzweiflung, die sie auch selbst empfand. Sie klammerte sich an ihn, und er bewegte sich zwischen ihren Beinen, um erneut tief in sie zu dringen.
»Sag es noch einmal«, flehte sie, auch wenn sie nicht wusste, was er genau gemeint hatte. Doch sie ahnte es und hatte das Gefühl, ertrinken zu müssen. »Erzähl mir alles. Erzähl mir alles. Xander, du musst mir alles erzählen, ehe es zu spät ist.«
Das tat er. Mit seinen Lippen auf den ihren und seinem Körper in ihrem strömten die Worte aus ihm heraus, während sein Herz stark und heftig gegen ihre Brust pochte. Seine Stimme sprach sanft, gebrochen und in einer Sprache, die sie nicht verstand. Alles brach aus ihm heraus und über sie herein, und sie glaubte, dass ihre Seele bis auf ihre Grundfeste verbrennen müsste.
Später, viel später, als bereits die Sonne aufging und die Hügel des Aventin rosa- und lavendelfarben überzog, wachte Xander alleine auf.
27
Vor langer Zeit, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, das nicht über die Mauer des Todesbrunnens blicken konnte, hatte Morgans Mutter ihr einmal eine Geschichte erzählt.
»Ich werde dir jetzt etwas erzählen«, hatte sie mit jenem verträumten Blick gesagt, vor dem sich Morgan manchmal ein wenig fürchtete, auch wenn sie nicht wusste, warum. Das Lied, das sie soeben gesungen hatte, erstarb auf ihren Lippen, als ob die Elfen es direkt aus ihrem Mund gestohlen hätten.
Sie gingen Hand in Hand durch das diesige Sonnenlicht am Morgen, knietief in wilder Heide versunken, die wie Unkraut am Rand des New Forest wuchs. Gemeinsam beobachteten sie winzige weiße Schmetterlinge, die mit einer ungeschickten Anmut um die Glockenblumen und Butterblumen tanzten, während sie der süßen Symphonie der Vögel und des Windes lauschten, der durch die Bäume blies.
»Ertschählen«, flüsterte Morgan begeistert und mit dem typischen Lispeln jener Jahre – ein Lispeln, das sie erst mit sechs verlieren würde, als sie beobachtete, wie der Sarg ihrer Mutter ins Grab in der harten Wintererde gelassen wurde. Jetzt blickte sie zu ihrer Mutter auf, die an diesem wunderbaren Frühlingsmorgen noch am Leben war. Sie sah, was sie immer sah: eine Elfenkönigin mit milchweißer Haut, einem melancholischen Lächeln und todtraurigen Augen, die sie blattgrün anfunkelten.
Selbst als kleines Kind wusste Morgan bereits, dass ihre Mutter sehr schön und sehr, sehr traurig war.
»Da war
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