Die Verraeterin
können. Dort war sie aber nicht zu finden. Mit zunehmender Panik hatte er jede Ecke des Gebäudes durchkämmt und schließlich Bartleby und Tomás gefunden, die am Küchentisch saßen. Tomás’ Wunden waren schnell verheilt, und er hatte wieder seine menschliche Gestalt angenommen.
»Wir … wir dachten, Morgan sei mit dir unterwegs«, stammelte Bartleby verwirrt. »Ich habe keinen von euch beiden mehr gesehen, seitdem wir heute Morgen von der … von Julian zurückgekommen sind. Ich habe angenommen, dass ihr zusammen seid. Ich war den ganzen Tag über mit Mateo und Tomás im Fitnessraum.«
Tomás fügte mit einer leisen, feindselig klingenden Stimme hinzu: »Mateo wird in ein oder zwei Tagen wieder auf dem Damm sein, falls es dich interessiert.«
Xander holte tief Luft und starrte Tomás an. Vermutlich hatte er das verdient, doch er hatte dennoch das Gefühl, als ob ihm ein Dolch in die Magengrube gestoßen worden wäre. »Natürlich interessiert mich das.«
»Komische Art, dein Interesse zu zeigen. Sie scheint dir irgendwie wichtiger zu sein als wir«, entgegnete Tomás noch immer im gleichen Tonfall.
Xander konnte es nicht leugnen. Jeder hier im Haus wusste, dass es stimmte. Er ließ sich auf einen Stuhl nieder, stützte die Ellenbogen auf den Tisch, senkte den Kopf und vergrub ihn in den Händen. Verzweifelt schloss er die Augen und holte tief Luft. Er kämpfte gegen eine aufsteigende Panik und das Bedürfnis an aufzuspringen, nach draußen zu laufen und ihren Namen zu rufen.
Nach einer Weile sagte er in die angespannte Stille hinein. »Es tut mir leid. Du hast recht. Aber …« Er schluckte und schloss die Augen. »Aber ich liebe sie. Ich liebe sie, Tomás, mit jeder verdammten Faser meines Körpers. Sie hat mich wieder zum Leben erweckt. Sie hat mich verstanden. Sie hat mir einen Grund gegeben, weiterzuleben. Ich hätte nie gedacht … ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas noch einmal fühlen würde. Und diesmal ist es sogar … sogar mehr. Es ist alles. Ich konnte sie einfach nicht allein hier zurücklassen.«
Er hörte, wie Tomás wütend durch zusammengebissene Zähne die Luft einsog, spürte aber gleichzeitig, dass Bartleby lächelte.
»Verdammte Scheiße, Xander«, knurrte Tomás aufgebracht und schwieg dann wieder.
»Ich für meinen Teil«, sagte Bartleby, der auf einmal sehr aufgeräumt wirkte. »Ich finde, dass ihr ausgezeichnet zusammenpasst.«
»Ausgezeichnet?«, murmelte Tomás leise vor sich hin, doch der Arzt ignorierte ihn.
»Wohin ist sie wohl gegangen, Xander? Was glaubst du? Wo willst du nach ihr suchen?«
Xander hob den Kopf und starrte Bartleby verzweifelt an. »Ich weiß es nicht«, flüsterte er. »Ich habe keine Ahnung, wie ich sie finden soll.«
Und so, wie ich sie heute Morgen behandelt habe, wird sie mich sowieso nie mehr wiedersehen wollen.
Tomás schnaubte laut. Xander sah zu ihm hinüber, und sein Freund verschränkte die muskulösen Arme über der Brust, um ihm einen finsteren Blick zuzuwerfen. Nach einer Weile atmete er aus, als ob er auf einmal zu einer Entscheidung gekommen wäre. »Für einen klugen Kerl bist du manchmal wahnsinnig dämlich. Weißt du das eigentlich?«, fuhr er Xander an.
»Es tut mir leid, Tomás. Ich werde alles tun, um die Sache zwischen uns wieder in Ordnung zu bringen …«
»Ach, halt die Klappe. Verdammt noch mal, ich rede jetzt nicht über uns!«
Xander sah ihn verwirrt blinzelnd an. Tomás blickte genervt zur Decke.
»Gott, schenk mir mehr Geduld«, presste er wütend hervor.
Bartleby lehnte sich zurück und ließ den Blick zwischen den beiden hin- und herwandern, während er auf seiner Unterlippe kaute.
Tomás legte die Hände flach auf den Tisch und beugte sich vor. »Du hast ihr Blut in dir«, sagte er betont langsam, als ob er mit jemandem besonders Beschränkten sprechen würde. »Du kannst sie problemlos finden. Überall.«
In Xander brach ein Feuersturm aus. Die Flammen schienen in Sekundenschnelle jeden Muskel, jeden Nerv und jeden Knochen in seinem Körper zu erfassen. »Blut folgt Blut«, flüsterte er atemlos.
Es war ein Spruch, so alt wie ihre Spezies, und mit Dutzenden verschiedenen Interpretationen. Er galt für Eltern, die ihre Begabungen ihren Kindern vererbten. Für Ikati, die ihren Alphas die Treue schworen, für solche Ämter wie das des Hüters der Geschlechter, die über Jahrhunderte innerhalb einer Familie weitergegeben wurden – von Vater zu Sohn, von Enkel zu Urenkel.
Der Spruch galt auch für die
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