Die verratene Nacht
niemanden mehr ganz für sich haben. „Ich bin froh, dass du bei ihnen sein wirst.“
„Ich werde dich nicht verlassen ... Mom“, sagte er. Er lächelte und einen Augenblick lang sah sie das Baby, dann das Kleinkind und die Jahre des kleinen Jungen durch sein Gesicht huschen. „Nicht ... wirklich. Werde...“ Er holte noch einmal ganz schwer Atem. „... immer ... bei ... dir ... sein.“
„Es ist ok, Sammy. Du kannst jetzt gehen“, sagte sie, weil sie wusste, wie wichtig es für ihn war, diese Worte zu hören. „Ich liebe dich. Ich weiß, dass du mich liebst. Da ist nichts zu verzeihen. Finde Frieden.“
„Liebe ... dich...“, sagte er. Und er schloss die Augen.
Selena ließ die Tränen jetzt fließen, ihre Wangen runter, um unten Tropfen für Tropfen auf ihre Hand zu fallen, die immer noch die seine hielt. Es war so anders, so schrecklich, hier zu sitzen und das durchzustehen, mit jemandem, den sie liebte. Jemand der aus ihr hervorgekommen war.
Es war ihr, als würden ihr die Eingeweide rausgerissen werden.
Seine Begleiter kamen aus der Ecke hervor, wo sie Wache gehalten hatten, und die blaue Wolke funkelte und blitzte und drehte sich zu einer sanften Spirale.
Er atmete, ein ... und aus ... ein ... und aus ... ein ... und aus...
Und dann, nichts.
Nichts.
Nichts.
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VIERZEHN
Theo kam einen Augenblick zu spät … oder vielleicht war es trotz allem der richtige Moment, damit sie einen Augenblick für sich hatte.
Selena zog gerade das Laken über Sams Gesicht und alles war still. Es war niemand anderes mehr da. Es war die dunkelste Stunde der Nacht und irgendwie waren – gnadenvollerweise – keine anderen Patienten auf der Station, die ihre Aufmerksamkeit einforderten.
„Er ist gestorben“, sagte sie und drehte sich um, als Theo sich näherte.
„Es tut mir Leid“, sagte er und stand da, die Hände an seinen Hüften bereit, abwartend, um zu sehen, ob sie von ihm in den Arm genommen oder lieber alleine gelassen werden wollte. „Er war ein großartiger Junge.“
Sie lief seinen Armen entgegen und er legte die Arme um sie, so dass sie mit lautlosen Schluchzern zittern konnte, ihm das Hemd nass machte, als sie das Gesicht an seine Schulter anschmiegte.
„Er sagte, er würde immer bei mir sein“, sagte sie viel später, nachdem sie ihr tränenverschmiertes, angeschwollenes Gesicht von ihm wegzog. „Und ich habe meine Eltern gesehen. Sie sind mit ihm weggegangen.“
Er nickte. „Das muss dir ein Trost gewesen sein, zu wissen, dass er nicht alleine sein würde.“
Sie nickte da. „Und es war seltsam“, sagte sie, ihre Stimme erstaunlich gelassen, „als er ging, habe ich gar nichts gespürt ... wie ich es sonst tue, wenn jemand geht. Normalerweise spüre ich einen Schlag und ... es ist seltsam, aber ich sehe ihre Erinnerungen durch meinen Kopf hindurch schießen. Mit ihm war es anders.“
„Vielleicht ist das ein Segen“, sagte er. „Auf gewisse Weise.“
Ihr Kopf bewegte sich an ihm wie zur Zustimmung. „Das denke ich auch.“
„Ich wünschte, ich hätte ihn besser gekannt“, sagte Theo.
„Er wollte das mit den Computern lernen“, erzählte ihm Selena. „Ich habe es ihm nicht erlaubt, aber er wollte, dass du es ihm beibringst.“
„Das hätte ich.“
„Ich weiß.“
Er hielt sie so lange im Arm, wie sie ihn brauchte, und dann, als sie sich löste, widerstand er dem Bedürfnis sie zu küssen, er spürte, jetzt war nicht der richtige Moment. Stattdessen ließ er sie aus seiner Umarmung schlüpfen und an das Bett ihres Sohnes zurückkehren.
Als er sie fragte, ob sie irgendetwas brauchte, schüttelte sie den Kopf und sagte er solle etwas Schlaf nachholen.
Sie würde noch ein bisschen mit Sam hier sitzen.
~*~
„Remington Truth ist tot“.
Remy erstarrte, aber fuhr dann mit der Bewegung des Löffels voller Eintopf zu ihrem Mund fort. Sie schaute Seattle an, der offensichtlich derjenige gewesen war, der diese Nachricht verkündet hatte. Weiter zu löffeln war eine naheliegende Handlung und die anderen Begleiter von ihnen taten genau das Gleiche. Aber der Mund war ihr auf einmal ganz trocken geworden, ihr Magen hatte kein Interesse mehr an Nahrung.
Verdammt. Es hatte sie schon lange gejuckt, dass sie und Ian endlich von dieser Gruppe Männer wegkamen, jetzt wo sie mit den jährlichen Raubzügen nach Yellow Mountain und ein paar anderen Siedlungen fertig waren, wo sie die Ernte einsammelten und nachschauten, was dort vor sich ging. Sie bespitzelten. In
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