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Die verratene Nacht

Die verratene Nacht

Titel: Die verratene Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen Gleason , Joss Ware
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mitgenommen“, sagte Lou zu Theo, als sie Yellow Mountain dann verlassen hatten. „Die Kopfgeldjäger.“
    „Das würde ich mal vermuten. Zumindest wissen wir, dass sie vor drei Tagen in der Gegend waren. Das macht es vielleicht leichter der Spur zu folgen, wenn wir sie finden.“
    „Erzählst du mir noch, was mit Selena da ablief?“, fragte Lou, während sie durch die Wälder wanderten, dorthin, wo er den Humvee in dem Graben versenkt hatte.
    „Erzählst du mir noch, wo du letzte Nacht warst?“
    Keiner der beiden antwortete.
     
    ~*~
    Selena starrte zum Fenster hinaus, ein hässliches, schmerzhaftes Etwas nagte ihr an den Eingeweiden.
    Es war jetzt Nacht, wie stets. Trotz Selenas vergeblichem Wunsch, dass diese ausgeblieben wäre. Denn mit der Nacht kamen auch Fragen und Schuldgefühle und Verwirrung.
    Und – immer noch – dieser tiefe, lodernde Hass.
    Sie hatte aufgehört ihren Kristall zu tragen und hatte ihn nun in seiner Holzschachtel weggeschlossen, damit sie nicht mehr spüren würde, wie er warm wurde. Die Zombies herbeirief. Sie spürten es; das wusste sie. Sie kamen, versammelten sich, sie stöhnten, sie schrien – alles jenseits der sicheren Mauern.
    Sie sah ihre Augen glühen, weit weg. Sie hörte ihr Stöhnen.
    Sie hasste sie. Und dennoch rührten sie diese erbarmungswürdigen Schreie. Schreie, die nur sie allein verstehen konnte.
    Dennoch, sie tat nichts.
    Sammy. Sammy. Ich hoffe, du hast Frieden gefunden. Es tut mir so Leid.
    Oh, Gott, sie vermisste ihn. Das Haus war so still. Es war, als ob ein Teil ihres Herzens rausgeschnitten worden wäre. Ein Teil ihres Lebens ... weg.
    Sechzehn Jahre alt. Er war nie zum Mann geworden, hatte nie das Versprechen einlösen können, das sie in ihm gesehen hatte: die Güte, das Gefühl von Ehrfurcht für die Welt und für alle Lebewesen darin. Er wäre ein wundervoller Vater gewesen. Die schmerzende Lücke in ihr drin wollte und wollte nicht weichen. Es nagte und kratzte an ihr.
    Selena schaute aus dem Fenster Richtung Westen, während sie sich über die Augen wischte, und fragte sich, wo Theo war. Ob er in Sicherheit war. Was er und dieser alte Mann Lou gerade taten und ob sie je zurückkommen würden.
    Er hatte sich ganz allmählich in den Haushalt hier eingefügt, in ihr Leben, und sie vermisste ihn.
    Warum habe ich ihn wieder fortgeschickt?
    Und dennoch, wenn sie die Augen schloss, sah sie sein finsteres Gesicht, ganz angespannt vor Wut und Mordlust, seine Augen blitzten brutal. Sie sah die Fontänen von Fleisch und Blut, spürte, wie die Luft sich bewegte, als er herumwirbelte und zuschlug und die Monster bekämpfte.
    Wie könnte sie je darüber hinwegsehen, wenn genau die gleiche Gewalt sich in ihr selbst rührte?
    Selena wandte sich vom Fenster und den glühenden, orangenen Augen jenseits der Mauer ab. Sie ignorierte ihr Bett, um stattdessen die Treppe runterzugehen und nach einem ihrer Patienten zu sehen.
    Schlaf war jetzt etwas Seltenes und stets unruhig.
    Der Atem von Reggie Blanchard war leise und kam schwer, und sie saß ein Weilchen bei ihm, schaute zu, wie der graue Nebel über ihm sanft waberte und sich drehte. Auch nachts noch war das silbrige Schimmern zu erkennen, das jeden auch noch so kleinen Lichtstrahl einfing. Er war ein alter Mann, vielleicht so alt wie Vonnie, und er war dabei, Stück für Stück zu erlöschen, vom Leben in den Tod hinüberzugleiten. Seit dem Tod seiner Frau – auch hier in der Obhut von Selena – vor zwei Jahren, hatte er in Yellow Mountain gelebt, als Metallschmied gearbeitet. Jetzt warteten seine Frau und ihre Schwester auf ihn, schwebten mit dem blauen Schimmer des nächsten Lebens in der Ecke, wie die Begleiter es oft taten. Warteten.
    Selena starrte vor sich hin, völlig eingehüllt in Taubheit und Apathie, während sie seine große, knorrige Hand hielt. Durch die Nacht fädelte sich fernab das Geräusch des Stöhnens. Ruuu-uuuthhhhh.
    Mom.
    Zuerst dachte sie, sie träume, dass sie endlich in den Schlaf gesunken wäre. Das Geräusch wäre in ihrem Kopf, vergraben in ihrem Gehirn, und dennoch schaute sie hoch, suchte. Und da war er. Sammy.
    In der Ecke. Schwebte wie Reggies Frau und seine Schwester. Die beiden Frauen lächelten Selena zu, aber sie bemerkte es kaum.
    Ich habe dir gesagt, ich würde dich nicht verlassen.
    „Hi, Sammy. Ich vermisse dich.“ Tränen brannten ihr in den Augen und sie schaute ihn an, kaum in der Lage Einzelheiten zu erkennen, auch wenn sie sich anstrengte. Bis auf seine Augen.

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