Die verratene Nacht
Oder Cath? Meine ich. Du siehst nicht aus, als wärst du am Sterben. Bist du am Sterben? Ich meine...“ sie gab auf und zuckte irgendwie mit den Schultern. „Die Leute kommen nur zu Selena, wenn sie sterben.“
Aus irgendeinem Grund wollte Theo nicht sagen, dass er gerade wieder zum Leben erweckt worden war. Das könnte die Stimmung hier etwas dämpfen, wenn das Mädel dachte, er wäre tot gewesen. Außer sie war ein Fan von diesen Vampirbüchern, die im Vorher gerade so mega-in gewesen waren, und das Untot-Sein machte ihr nichts aus. Also solche Untote, wo der Kerl so alt aussah wie sie selbst, aber in Wirklichkeit hundertzwanzig Jahre alt war.
Wie er halt.
„Ich bin absolut gesund“, antwortete er.
„Du siehst jedenfalls so aus“, sagte sie, merkte vielleicht nicht, dass sie genau dasselbe ein paar Sekunden vorher schon mal gesagt hatte. „Das ist ein Giga Tattoo auf deinem Arm.“
Theo lächelte zurück und ließ ein bisschen Hitze in seine Augen wandern. Es fühlte sich gut an. Es war schon lange her, seit er das gemacht hatte. „Sie heißt Scarlett. Ich habe einen blauen am Rücken, den ich Rhett nenne.“
Jen schaute ihn verständnislos an.
„Willst du da denn den ganzen Tag rumstehen oder machst du dich auch mal an die Arbeit?“
Theo und Jen drehten sich um, um Frank da stehen zu sehen, der einen Klumpen Unkraut in den Händen hielt, wo die Wurzeln noch Wasser tropften.
„Okay, okay“, sagte Jen und zog den Saum von ihrem Hemd glatt, indem sie es noch enger über ihre Brüste zog. „Ich schaue besser mal nach, ob Selena mich heute braucht. Vielleicht sehe ich dich später heute Abend? In Yellow Mountain? Da beim Geschichtenerzählen?“
Das waren drei Fragen zu viel, aber wer zählte schon mit? Obwohl er nicht wusste, wovon sie da gerade sprach, dachte er sich, dass es eh nichts anderes zu tun gab. „Wahrscheinlich schon“, erwiderte er. Sie warf Theo ein betörendes Lächeln zu, als sie davonscharwenzelte, in Richtung Haus.
„Verbringt mehr Zeit damit, in den verdammten Spiegel zu schauen oder auf Klamottenjagd zu gehen“, grummelte Frank, „oder zu reden, als irgendetwas anderes zu tun.“
„Sie wohnt hier in der Gegend?“, fragte Theo, während er sich pflichtschuldig zu den Erdbeeren hinunter beugte. Ein Korb erschien auf dem Boden neben ihm, anscheinend von Frank, und er begann die reifsten Beeren zu pflücken.
„In Yellow Mountain. Etwa fünf Meilen den Hügel runter“, antwortete der alte Mann. „Sollte Selena Arbeit abnehmen, aber verbringt mehr von ihrer verdammten Zeit damit, mit Sam und Tim zu reden, als mit arbeiten. Und wenn sie da ist, dann tun die auch nichts.“
Theo verbarg ein Lächeln. Klang eigentlich normal für junge Menschen, bei denen die Hormone verrückt spielten. Er hatte weder Sam noch Tim getroffen, aber er nahm an, dass er sich die Mühe bald mal machen sollte – und wenn nur aus dem Grunde, dass – hätten sie ihn nicht gefunden – er jetzt immer noch tot wäre.
Er hielt einen Moment lang inne und dachte an Lou. Verdammt. Und als er da saß, in der heißen Sonne, rote Flecken von den Beeren an den Fingern, öffnete er seinen Geist wieder für seinen Bruder.
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DREI
Lou arbeitete gerade in dem unterirdischen Computerlabor, als ein vertrautes Kribbeln ihm über die Schultern huschte. Seine Hände blieben über der Tastatur schweben.
Theo! , dachte er und öffnete seinen Verstand. Bist du da?
Jep.
Lous Hände krachten auf die Tasten runter, was einen Buchstabensalat zur Folge hatte. Erleichterung überkam ihn. Geht es dir gut?
Er wusste nicht sicher, ob Theo diese sehr spezifischen Gedanken eigentlich genau lesen konnte, aber er versuchte es dennoch. An seinem Ende der Leitung war es eher eine Art von Gefühl , das mitteilte, was auch immer sie einander mitzuteilen versuchten. Aber es war schon länger als einen Tag her, dass er diese flüchtige Verbindung mit seinem Bruder gehabt hatte, und Lou war sich nicht sicher, ob er sich das nun eingebildet hatte oder nicht. Dieses Gefühl also wieder zu haben, war eine enorme Erleichterung.
Ich bin in Sicherheit.
Diese Mitteilung kam laut und deutlich an. Bombensicher.
Lou öffnete die Augen und war zutiefst beschämt zu entdecken, dass sie brannten und feucht waren. Er war noch nicht bereit seinen Bruder zu verlieren, noch nicht ganz. Gott sei Dank war er immer noch da.
Gut , schickte Lou vehement zurück. Er wartete und fragte sich, ob Theo noch irgendetwas anderes sagen wollte.
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