Die verratene Nacht
viel zu essen scheinst und dass du morgens gerne laufen gehst – das hat Vonnie mir erzählt – und wie ihr beide hier gestrandet seid, mit Frank. Und wo zum Teufel du roten Nagellack her hast.“
Selena wusste, dass ihr die Kinnlade etwas runtergeklappt war – nicht so weit, dass sie absolut verdattert aussah. Aber so, dass sie ihr vor Überraschung etwas entglitten war. „Uhm“, sagte sie und versuchte die Wärme, die ihr da gerade ziemlich heftig hochstieg, einzudämmen. Sie war auf einmal ganz zittrig und ihr Magen flatterte wild. Grundgütiger.
Und dann... Er meint es wirklich und wahrhaftig ernst. Er möchte wirklich mehr über mich wissen. Sowohl Panik als auch Entzücken rauschten durch sie hindurch.
„Und über Sams Vater und ob er noch mit von der Partie ist und warum er es nicht ist“, fuhr Theo fort. „Ob es deine Entscheidung oder seine war, oder was. Und“, er trat näher an sie heran, „wie ich es dir klar machen soll, dass ich niemanden aus Mitleid küsse. Nicht einmal die Frau, die mich wieder zum Leben erweckt hat.“ Seine Hände landeten sanft auf ihren Schultern und sie spürte, wie sein Schuh gegen ihre nackten Zehen stieß.
„Wie viele davon hast du?“, schaffte sie zu sagen und merkte erst da, dass ihre Hände nach oben gewandert und sich flach auf seiner breiten, warmen Brust niedergelassen hatten. Wow. Wie gemeißelt.
„Wie viele von was?“
„Frauen, die dich zum Leben erweckt haben.“
„Nur eine.“ Er begann sich vorzubeugen, hielt dann wieder inne und zog sich zurück. Selena ließ den Atem, den sie bis dahin angehalten hatte, wieder entweichen und wurde aus der Wärme hochgeschreckt, in die er sie eingelullt hatte. „Nein, doch zwei.“
„Was?“, fragte sie, ihre Stimme ging etwas hoch – teils aus Überraschung, teils um ihre Enttäuschung zu verbergen. „Du bist vorher schon mal zum Leben erweckt worden?“
Seine Lippen verzogen sich nach oben und eine von seinen Händen bewegte sich, um ihr eine schwere Haarsträhne von der Schulter zu wischen und dann an ihr langzugleiten. „Nun, gewissermaßen. Als ich ein Baby war, hatte sich die Nabelschnur um meinen Hals gelegt und ich kam ganz blau überall raus, schlaff wie eine nasse Nudel. Kein Herzschlag und all das. Da war eine Krankenschwester, die CPR gemacht hat – sie hat mir in den Mund hinein geatmet – und hat mich wieder zum Leben erweckt.“
„Eine Krankenschwester ?“
„Aber keine Sorge“, fügte er schnell hinzu. „An dieses Ereignis erinnere ich mich überhaupt nicht mehr ... eigentlich“, sagte er und ließ seine Hand hinten um ihren Hals gleiten, hob ihr Haar an und massierte ihr sanft den Schädel, „du bist also die einzige Frau, die mich wieder zum Leben erweckt hat. Und das hier tue ich ganz sicher nicht aus Mitleid.“
Sie kam ihm auf halbem Weg entgegen, als seine Lippen sich noch bewegten, um hinzuzufügen, „zumindest nicht, was mich betrifft.“
Selenas Lachen wurde da von seinem Mund erstickt. Sie schloss die Augen, als ihre Lippen sich trafen, zuerst weich und dann hungrig. Er hielt ihren Kopf mit seiner starken Hand fest, als der Kuss intensiver und feuchter wurde. Unter ihren Handflächen bewegten sich die Muskeln an seiner Brust und sein Herz schlug wie wild.
Jetzt fühlte er sich gar nicht wie ein Junge an für sie, nicht jetzt, nicht mit diesen Forderungen und dieser Selbstsicherheit da an ihm. Ihr Körper war warm und flüssig geworden, war erwacht aus einem Tiefschlaf, der allein jahrelanger Vernachlässigung geschuldet war. Selena hörte auf sich zu fragen, hörte auf Widerstand zu leisten und als seine Hände an ihrem Rücken runter wanderten, der Linie ihres Oberkörpers folgten, lehnte sie sich gegen ihn, in ihn hinein, schmiegte ihren Körper an seinen.
Warum nicht? Warum das hier nicht genießen? Es ist viel zu lange her.
Er ist so jung!
Und er wird jeden Tag von hier wieder aufbrechen. Kein Problem.
Er bringt mich zum Lachen.
Theo stieß ein kleines Stöhnen aus und verlagerte das Gewicht, schob sie rückwärts gegen etwas Festes und hielt sie da fest, so dass ihre beiden Körper aneinander standen, sich jede Kurve und jede Ausbuchtung ineinander, in den anderen hinein drückte. Wenn sie noch irgendwelche Zweifel gehabt haben sollte wegen Küssen aus Mitleid, waren die zu dem Zeitpunkt hier gründlich zerstreut. Sein Begehren war ganz offensichtlich und der sanfte, beständige Druck, als ihre Hüften sich aneinander rieben, machte, dass sie sich
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