Die verratene Nacht
beruhigend, aber verständlich.
Aber das Erste, was er heute Morgen getan hatte, nachdem er sich aus Selenas Zimmer geschlichen hatte, sobald die Sonne aufgegangen war (um sicher zu gehen, dass sie nicht so etwas Verrücktes tat, wie sich wieder hinauszuschleichen; und ja, er glaubte absolut, dass sie zu so etwas in der Lage war), war es zu testen.
Und ... nada . Niente, Null, nix.
Und ... das war auch der Augenblick, wo er sich mal genauer im Spiegel betrachtet hatte und nicht nur eine ansehnliche Anzahl von Bartstoppeln erblickt hatte ... sondern auch ein weißes Haar.
Für einen Kerl um die achtundsiebzig, sollten Bartstoppeln und ein weißes Haar kein Anlass sein, Alarm zu schlagen. Aber da Theo in den letzten fünfzig Jahren kaum einmal die Woche eine Rasur gebraucht und er lediglich ein paar vereinzelte Haare gehabt hatte, war das ein unerwartetes Erwachen.
Hatte er nicht nur seine übersinnliche Fähigkeit verloren, sondern mutierte er hier gerade zu einem Dorian Gray?
Der Gedanke, dass sein Alter ihn einholen könnte, war kein glücklicher, denn wie zum Teufel würde er denn Selena beschützen beim nächsten Mal, wenn sie beschloss eine weitere Kamikaze Aktion abzuziehen, wenn er dann ein alter Tattergreis war?
Was würde sie sich denken, wenn sie die Wahrheit herausfand? Würde sie die Flucht ergreifen – nicht, weil er zu jung für sie war, sondern weil er fast dreißig Jahre älter als sie war?
Er dachte, es wäre ganz lustig, ihr die Wahrheit noch ein bisschen vorzuenthalten. Er würde sie in dem Glauben lassen, dass er wirklich so ein toller junger Hengst war und würde ihr zusehen, wie sie alle möglichen Vorwände fand, um nicht mit ihm zusammen zu sein. Und dann würde er ihr die Wahrheit sagen, wenn sie erst einmal begriffen hatte, dass er sie mochte, egal wie alt sie beide nun wirklich waren – oder wie alt sie aussahen. Aber jetzt war er mehr als nur ein bisschen besorgt, dass – anstatt ihr im Bett alles geben zu können, was sie wollte – er sich auf die Suche nach den längst ausgestorbenen kleinen blauen Pillen mit Namen Viagra machen müsste.
Theo ließ seine Wut und Angst an der Tastatur aus, seine Finger flogen mit Leichtigkeit über die Tasten und er versank gerne in diesem altvertrauten Vergnügen. Kodieren hatte etwas Beruhigendes. Hacken genauso. In beiden Fällen, musste alles funktionieren, letzten Endes. Es musste alles passen.
Alles an seinem Platz. Jede Antwort logisch und vollkommen.
Im Gegensatz zum Leben, verflucht nochmal.
Nach einer Weile machte er eine Pause und blätterte sich durch ein paar von Brad Blizeks Dateien durch, wobei er das durchsichtige Whiteboard benutzte, um ein paar von seinen Spiele-Prototypen aufzurufen. Manchmal half es, den Kopf freizuschaufeln und ihn umzuleiten, um sich dann aus einer anderen Richtung wieder zu nähern.
Abgesehen davon war es das pure Vergnügen, sich die Screenshots und Concept Images vom Meister für seine neuen Videospiele anzuschauen.
Er schaute sich gerade die Dateien für Jolliah’s Castle an, die nach einem sicher ganz netten Abenteuerspiel aussahen, als Theo aus seiner privaten Andacht heraus katapultiert wurde, um Vonnie zu erblicken, die auf den Armen ein Tablett trug. Verdammt. Er blinzelte und versuchte sich aus der andächtigen Stimmung herauszuarbeiten.
„Ich dachte mir, dass ich dich hier finde“, sagte sie.
„Oh. Wow“, antwortete er und löste seine Blicke widerstrebend von dem Board, als würde er aus einem tiefen Schlaf erwachen. Connectus interruptus.
Ihm würde später erst mit einem Schock klar werden, das Vonnie – die Gut-Ding-will-Krach Vonnie – den ganzen Weg in das Zimmer hinein und herüber zu seiner Ecke gefunden hatte, ohne gegen etwas zu rennen oder etwas fallen zu lassen. Sie klang in der Tat etwas außer Atem – wahrscheinlich vom Hinaufsteigen über zwei Stockwerke – aber ihr graumeliertes Haar war ordentlich nach hinten frisiert und ihre runden Bäckchen waren nur ein bisschen rosa. Er dachte, dass sie bezaubernd aussah, auf eine heimelige Art. „Du warst nicht beim Mittagessen und ich dachte mir, dass du vielleicht Hunger hast.“ Sie stellte das Tablett auf dem Tisch ab, wobei sie einen Stapel von Schaltkreisen und Kabeln beiseite schob, die er sich zurechtgelegt hatte ... genau, wie er sie brauchte.
Jetzt waren sie ein wirrer Haufen.
Theo lächelte sie trotzdem an. „Danke. Es riecht gut.“
Das tat es. Und er war hungrig. Ein Hühnchen-Sandwich auf diesem mit
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