Die verschollene Flotte 04 - Gearys Ehre
Meinung nach sind sie es nicht wert, dass wir sie bei uns behalten.« Dem Captain der Ocrea schien ein unerwarteter Gedanke durch den Kopf zu gehen. »Ich schätze, wir könnten sie in ihre Rettungskapseln setzen und zurück ins All schicken. Das haben wir doch in letzter Zeit mit anderen auch gemacht, nicht wahr?«
Geary nickte und versuchte, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Es war noch nicht lange her, da hätte dieser Captain, so wie jeder Offizier in der Flotte, Syndik-Gefan gene einfach aus der Luftschleuse ins All gestoßen, sobald sie nutzlos geworden waren. Dass er von sich aus auf die Idee gekommen war, die Syndiks menschlich zu behandeln, war ein sehr gutes Zeichen dafür, dass das Prinzip der Ehre allmählich seine frühere Bedeutung zurückerlangte. »Das hört sich nach einem guten Plan an.«
Der andere Offizier lächelte ihn an. »Irgendwelche Mitteilungen von den Lebenden Sternen, die wir ihm mit auf den Weg geben können, damit er sie für uns verbreitet?«
Fast hätte Geary zugestimmt, aber dann hielt er inne. Auf eine unerklärliche Weise kam ihm das verkehrt vor, so als nähme er eine Warnung wahr, die er aber weder hören noch sehen konnte. »Das ist womöglich keine so gute Idee. Seine eigenen Gedanken kann er ruhig verbreiten, aber ich möchte nicht die Lebenden Sterne verärgern, indem ich mir anmaße, für sie zu sprechen.«
Der Captain wurde jäh ernst. »Ich hatte kein Sakrileg vorschlagen wollen, Sir.«
»Ich weiß. Aber was wir denken, könnte aus deren Sicht nicht richtig sein. Lieber gehe ich auf Nummer sicher.«
»Stimmt«, bestätigte der Befehlshaber der Ocrea, »momentan scheinen wir in ihrer Gunst zu stehen, und das sollte nach Möglichkeit auch so bleiben. Vielen Dank, Sir. Innerhalb der nächsten zehn Minuten werden wir die Rettungskapseln wieder losschicken.«
»Tun Sie das. Und nochmals vielen Dank für die hervorragende Arbeit.«
Als sich das Fenster schloss, das den Captain der Ocrea
zeigte, wandte sich Geary an Rione und Desjani, um ihnen die Neuigkeit mitzuteilen, die er um seine eigene Interpretation ergänzte. »Von den überlebenden CEOs wollte jeder derjenige sein, der für sich in Anspruch nehmen konnte, unsere Flotte bei Ixion vernichtend zu schlagen, was dazu führte, dass sie Stunden mit der Diskussion zugebracht haben, wer von Ihnen das Sagen haben sollte. Co-Präsidentin Rione, verfügen die Syndiks nicht über ein System wie unseres des Dienstalters, (las darüber entscheidet, wer der höherrangige Offizier ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »CEO-Positionen bestimmen sich aus einer Mischung von zivilen und militärischen Faktoren.
Wie hoch ein CEO anzusiedeln ist, hängt von seinem Dienst-niveau ab, aber auch von seinem politischen Einfluss.«
»Das heißt, ihre Kommandostruktur ähnelt…« Er warf Desjani einen entschuldigenden Blick zu. »Sie ähnelt dem, was in dieser Flotte üblich war? Ich hätte gedacht, dass bei den Syndiks viel rigorosere Strukturen herrschen. Ihr ganzes Verhalten lässt auf so etwas schließen.«
»Bis zu einem gewissen Punkt ist das so«, erklärte Rione geduldig, die sichtlich ihren Spaß an Desjanis Unbehagen hatte. »Jeder unterhalb des Dienstgrads eines CEO sollte tun-lichst die Befehle ausführen, die ihm erteilt werden. Ist aber jemand zum CEO aufgestiegen, werden prompt die Messer gezückt. Die CEOs untereinander ringen ständig darum, den besseren Auftrag zu ergattern, und sie fallen sich gegenseitig solange in den Rücken, bis sie es in den Exekutivrat geschaff t haben.«
»Klingt ja fast wie bei unseren eigenen Politikern«, murmelte Desjani scheinbar zu sich selbst, war aber laut genug, um von Rione gehört zu werden.
Die lächelte nur frostig, ohne den Blick von Geary abzuwenden. »Derjenige CEO, der für sich in Anspruch nehmen kann, Sie getötet zu haben, hat damit quasi einen Freifahrtschein zum Exekutivrat in der Tasche. Kein Wunder, dass die beiden CEOs unserer Verfolgerflotte kostbare Zeit damit vergeudet haben, sich um das Kommando zu streiten. Auch wenn dieser Matrose das so geschildert hat, werden sich die beiden sehr wahrscheinlich nicht tatsächlich gestritten haben. Vielmehr dürfte jeder von ihnen versucht haben, die befehlshabenden Offiziere der Flotte davon zu überzeugen, dass die bestehenden Regeln und Befehle so zu deuten sind, dass nur er das Kommando über die Flotte übernehmen kann. Und dir
befehlshabenden Offiziere werden panisch darauf versessen gewesen sein, bloß
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