Die verschollene Flotte 04 - Gearys Ehre
schaffen.«
Geary hatte vergessen, dass Desjani körperlich anwesend war, und ihm war auch nicht aufgefallen, dass sie noch immer am Tisch saß und ihn nun beobachtete.
»Ich weiß, es ist schwierig, Sir, aber bis hierhin haben Sie uns schon mal gebracht.« Sie zeigte auf das Display.
»Ich kann keine Wunder wirken«, erwiderte er tonlos.
»Wenn Sie uns richtig führen, dann wird die Flotte das mit den Wundern für Sie erledigen. Das haben Sie hier bei Lakota gesehen.«
Er lachte kurz auf. »Ich wünschte, ich könnte das glauben. Aber die Flotte hat tatsächlich Erstaunliches geleistet.
Da werde ich Ihnen nicht widersprechen.« Sein Lachen verstummte, und er deutete mit einem Nicken auf die Sterne.
»Beim ersten Mal hier in Lakota wären mir fast ein paar tödliche Fehler unterlaufen. Mehr von der Sorte kann ich mir nicht leisten, und genau das macht mir Angst, Tanya.«
»Sie müssen nicht vollkommen sein, Sir.«
»Ist es aber nicht genau das, was die lebenden Sterne von mir erwarten?«, fragte er und merkte, wie seine Stimme angespannter wurde.
Sie stutzte. »Ich bin nicht weise genug, um zu wissen, was sie wollen, aber ich bin klug genug, um zu erkennen, dass sie uns keinen Menschen geschickt hätten, wenn es ihnen auf Voll-kommenheit angekommen wäre. Sir, zu siegen bedeutet für gewöhnlich, einen Fehler weniger zu machen als der Gegner oder einmal mehr aufzustehen als er, wenn man von ihm zu Boden geschickt worden ist. Sie machen beides gleichzeitig.«
Er sah sie eindringlich an. »Danke. Mir ist klar, Sie haben mir schon mehr als einmal gesagt, Sie wüssten, dass ich auch nur ein Mensch bin. Aber manchmal denke ich dennoch, dass Sie von mir erwarten, ein vollkommenes, gottgleiches Wesen zu sein.«
Desjani legte die Stirn in noch tiefere Falten. »Das wäre Blasphemie, Sir. Und Ihnen gegenüber wäre es ungerecht.«
»Aber Sie glauben trotzdem, ich kann es schaffen?« Es war eine Sache, wenn Desjani sagte, dass sie ihn für vollkommen hielt, aber wenn sie wusste, er war es nicht, und sie dennoch an ihn glaubte, dann bedeutete das weitaus mehr.
»Ja, Sir.« Einen Moment lang senkte sie den Blick. »Meine Vorfahren sagen mir, ich soll Ihnen vertrauen. Sie sagen mir, dass es unsere Bestimmung ist… gemeinsam zu dienen.«
Er ließ sich ein paar Sekunden Zeit mit seiner Antwort, weil er aufpassen musste, dass er nicht etwas Falsches von sich gab.
»Ich bin froh, dass wir gemeinsam dienen. Sie sind für mich von unschätzbarem Wert.«
»Vielen Dank, Sir.«
Warum er es tat, wusste er selbst nicht, dennoch verspürte er den dringenden Wunsch, noch etwas anzufügen. »Die Vam-
brace wurde in der Schlacht vernichtet. Ich sah, dass Lieutenant Riva noch entkommen konnte. Er ist jetzt auf der
Inspire.«
»Da ist er bestimmt glücklich«, gab Desjani mit deutlich kühlerem Unterton zurück. »Auf der Inspire gibt es unter den Offizieren viele attraktive Frauen, es sei denn, er interessiert sich diesmal für eine attraktive Unteroffizierin.« Sie bemerkte seine Reaktion und zuckte desinteressiert mit den Schultern.
»Lieutenant Riva hat sich vor einem Jahrzehnt von mir getrennt, Sir, auch wenn mir das erst vor Kurzem bewusst geworden ist. Ich bedauere den Verlust eines jeden Angehörigen dieser Flotte, aber persönlich ist es mir völlig egal, ob ich seinen Namen je wieder zu hören bekomme.«
»Tut mir leid«, sagte Geary und schob sofort nach: »Ich meine, es tut mir leid, dass ich das Thema überhaupt ange-schnitten habe.«
»Ist schon okay. Seit ich mit ihm zusammen war, habe ich viel über Männer gelernt. Auch darüber, wie ein Mann sein sollte.« Sie sah nach unten und biss sich auf die Lippe. »Aber wir sprachen über unsere Rückkehr nach Hause. Und da-rüber, dass Sie das schaffen werden.«
»Genau.«
Ihr musste aufgefallen sein, wie wenig Begeisterung in seinem Tonfall lag, und offenbar war ihr auch klar, was der Cirund dafür war. »Es ist auch immer noch Ihr Zuhause, Sir.«
»Ist es das wirklich?« Wieder verstummte er, aber Desjani wartete darauf, dass er weiterredete, als ob sie wüsste, dass er noch mehr zu sagen hatte. »Wie viel hat sich in hundert Jahren verändert? Die Menschen, die ich kannte, sind alle tot. Ich werde ihren Kindern begegnen, die selbst schon alte Leute sind, ihren erwachsenen Enkeln und Urenkeln. Die Gebäude, die ich noch als neu erlebt habe, sind jetzt längst alt. So alt, dass man sie vielleicht schon abgerissen und etwas Neues an ihrer Stelle errichtet hat.
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