Die verschollene Flotte 04 - Gearys Ehre
Sie scheinen es zu bevorzugen, einen Gegner dazu zu bringen, Fehler zu machen, bei denen er sich ins eigene Fleisch schnei-det.«
Rione nickte. »Erst finden sie heraus, was der Feind will, und dann bieten sie es ihm auch noch an. Sie müssen exzellente Politiker sein.«
»Und die Syndiks haben versucht, sie übers Ohr zu hauen«, fügte Geary wütend an. »Sie mussten in einem Wespennest stochern, und zum Dank wird die ganze Menschheit gesto-chen.«
»Warum machen die Syndiks nicht einfach reinen Tisch?«, wunderte sich Cresida. »Ihnen muss seit Langem klar sein, dass sie nicht auf einen Sieg hoffen können. Warum sagen sie also nicht, dass die Aliens sie reingelegt haben, indem sie ihnen angeblich erzählt haben, wir würden jeden Moment angreifen oder irgendwas anderes in dieser Art? Damit könnten sie uns auf ihre Seite ziehen, und diese Aliens würden sich auf einmal mit unserer geballten Schlagkraft konfrontiert sehen.«
Rione schüttelte den Kopf. »Die Führer der Syndikatwelten können einen so verheerenden Fehler nicht zugeben. Dann würden Köpfe rollen, und das vermutlich buchstäblich. Auch wenn es die Vorgänger der gegenwärtigen Führungsriege waren, die das zu verantworten hatten, beanspruchen die heutigen Führer ihre Posten mit dem Hinweis auf die Leistungen der Vorväter. Alle Führungspersonen der Syndiks werden angeblich wegen ihrer besonderen Befähigung in ihr Amt berufen. Würden sie eingestehen, dass Generationen zuvor ein schrecklicher Fehler begangen wurde, dann würden sie ihre eigene Position und das System insgesamt infrage stellen. Für sie ist es einfacher und sicherer, weiter dem Weg in den Untergang zu folgen, anstatt einen gravierenden Fehler einzuge-stehen und zu versuchen, etwas an der Situation zu verändern.«
»Sind die etwa so dumm?«, fragte Cresida.
»Nein, sie sind keineswegs dumm.« Rione schüttelte ihren Kopf. »Wenn sie einräumen, dass die Vorgänger Fehler begangen haben, durch die die Syndikatwelten in einen anscheinend endlosen Krieg hineingezogen wurden, dann werden sie Ihre Machtstellung einbüßen, und das heißt, sie werden im schlimmsten Fall sehr schnell oder sehr langsam ihr Leben verlieren. Zumindest müssten sie sich von ihrem Status und Ihrem Vermögen verabschieden. Solange sie aber das fortführen, was ihre Vorgänger begonnen haben, bleibt ihnen die Hoffnung, dass sich etwas ändern wird. Es geht nicht darum, was für die Syndikatwelten oder die Allianz oder die Menschheit insgesamt das Beste ist, sondern einzig um ihre Interessen als Individuen. Sie werden bis zum letzten Kriegsschiff und bis zum letzten Soldaten kämpfen, denn solange bezahlen andere für ihre Fehler, und sie können den Tag weiter hinaus-schieben, an dem man sie persönlich zur Rechenschaft ziehen wird.«
Geary bemerkte, dass die anderen Offiziere versuchten, die Politikerin nicht anzustarren. Er wusste, was sie störte. Es war nicht bloß die Denkweise, nach der die Syndik-Führer handelten, sondern auch die Tatsache, dass Rione diese Denkweise nachvollziehen und erklären konnte - was bedeutete, dass sie genauso zu denken in der Lage war wie die Syndiks.
Als Rione die gleichen Blicke der anderen bemerkte, sah sie die Offiziere der Reihe nach an. »Oh, ich hatte völlig vergessen, dass Sie alle ja so anständig und ehrbar sind. Kein hochrangiger Offizier des Militärs würde jemals zulassen, dass Menschen sterben, weil er einen Fehler gemacht hat.
Und es würde auch niemand an einer falschen Taktik fest-halten, nur um nicht seine Position aufgeben zu müssen.«
Diesmal bekamen einige Anwesende einen roten Kopf, aber Geary kam ihnen allen zuvor, indem er sagte: »Wir haben schon verstanden, aber niemand hier beteiligt sich an einer solchen Vorgehensweise. Und ja, ganz richtig, ich schließe Co Präsidentin Rione ein. Sie ist auf diese Mission mitgekommen und setzt ebenso wie jeder Matrose dieser Flotte ihr Leben aufs Spiel. Wenn wir dann unsere Wut wieder auf den Feind richten könnten, statt auf uns selbst?«
»Welchen Feind?«, fragte Duellos. »Unser Leben lang haben wir gewusst, dass der >Feind< gleichbedeutend ist mit den Syndiks. Sie haben uns angegriffen, unsere Welten bombardiert, unsere Freunde und Angehörigen getötet. Und die ganze Zeit über war da noch ein anderer Feind, von dem wir nichts wussten-«
»Stimmt das eigentlich? Wissen unsere Führer nichts da-rüber?«, fragte Desjani.
Alle Blicke richteten sich auf Rione, die leicht errötete, aber mit
Weitere Kostenlose Bücher