Die verschollene Flotte: Ein halber Sieg: Roman (German Edition)
haben bei Honor getan, was notwendig war. Was mir Sorgen macht, ist die Gefahr, dass Sie so etwas auch dann noch einmal machen, wenn es nicht notwendig ist. Sagen Sie mir die Wahrheit. Als Sie bei Honor eingeschritten sind, haben Sie in dem Moment an irgendetwas anderes gedacht als an das, was getan werden muss?«
Sie presste die Lippen zusammen, während sie ihn anschaute. Schließlich brachte sie in ersticktem Tonfall heraus: »Ich hatte Angst. Ich dachte an nichts anderes als daran, dass das die einzige Lösung ist. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass der Einsatz der kinetischen Projektile etwas bringen würde, aber ich war verzweifelt. Seitdem erzählt mir zwar jeder, wie mutig und tapfer es von mir gewesen ist, diese Attacke anzuführen, aber ich denke immer nur daran, welche Angst ich hatte. So, jetzt kennen Sie die Wahrheit. Jetzt wissen Sie, dass ich keine Heldin bin. Ich bin nicht mal eine gute Offizierin. Als ich mit dieser Situation konfrontiert wurde, hatte ich nur Angst, sonst nichts.«
Einen Moment lang starrte er sie an, dann musste er lachen, wobei er sah, wie sie zuerst erschrak, gleich darauf aber wütend wurde. »Jane … bitte … ich bin nicht … Vorfahren, bewahrt uns! Was glauben Sie, was Mut ist?«
»Wenn man keine Angst davor hat, sich einer Gefahr zu stellen! Jeder weiß …«
»Dann irrt sich jeder.« Geary setzte sich wieder hin und musterte sie. »Sie hatten also Angst. Haben Sie irgendeine Vorstellung davon, welche Angst ich bei Grendel ausgestanden habe? Mein Schiff wurde um mich herum in Stücke geschossen. Bis auf mich war die gesamte Crew der Merlon tot, die Selbstzerstörung war aktiviert, und ich konnte keine funktionierende Rettungskapsel finden.«
»Sie … was? Davon hat nie jemand ein Wort gesagt.«
»Weil es niemand weiß, ausgenommen Tanya Desjani. Und jetzt Sie. Jane, als ich noch sehr jung war, da sagte mein Vater mir etwas. Wir unterhielten uns über Helden. Ich kann mich daran erinnern, dass ich Geschichtsbücher gelesen hatte und dass ich davon sprach, wie großartig diese Menschen waren, die vor riesigen Herausforderungen gestanden und keine Angst verspürt hatten. Daraufhin lachte mein Vater noch viel lauter, als ich es eben getan habe. Er sagte mir, Mut ist nicht das Fehlen von Angst. Mut, also richtige Tapferkeit, heißt, Angst zu haben und trotzdem das zu tun, was getan werden muss. Ich nahm ihm das eigentlich nicht ab.« Er atmete tief durch. »Ich glaubte es ihm erst, als ich auf der Merlon war und den überlebenden Besatzungsmitgliedern den Befehl gab, das Schiff zu evakuieren, während ich noch etwas länger Gegenwehr leistete. Und als ich durch einen Korridor gehen musste, der mit Trümmern und Toten übersät war. Als ich versuchte, irgendwie dieses Schiffswrack zu verlassen, das jeden Moment explodieren würde.«
Jane Geary schaute betreten zu Boden. »Das haben mir die Leute auch gesagt, aber ich habe ihnen nicht geglaubt. Ich komme mir vor wie eine Betrügerin.«
»Sie sind ein Mensch, Jane. Und Sie sind eine gute Offizierin, solange Sie nicht versuchen zu beweisen, dass Sie auch noch eine Heldin sind. Das haben Sie bei Honor bewiesen, weil Sie da Angst hatten und trotzdem das taten, was notwendig war.« Er konnte nicht einschätzen, ob sie ihm glaubte.
Als sie endlich wieder etwas sagte, kam das so leise über ihre Lippen, dass er sie kaum hören konnte. »Hatte Michael Angst?«
»Als er mit der Repulse die Syndiks aufhielt, damit der Rest der Flotte entkommen konnte? Ja.«
»Warum haben Sie mir das nicht gesagt?«
Das war eine gute Frage, die ihn mit einem Mal erkennen ließ, aus welchem Grund er dazu geschwiegen hatte. »Weil Sie bis dahin so etwas nicht durchgemacht hatten«, antwortete er schließlich. »Hätte ich Ihnen gesagt, dass Michael Angst gehabt hat, dann hätten Sie das womöglich als Kritik an seiner Person aufgefasst, obwohl genau das Gegenteil gemeint war. Genauso gibt es Leute, die sich so in das vertiefen, was sie tun müssen, und die an tausend Dinge gleichzeitig denken, dass sie gar keine Zeit haben, um ihre Angst zu bemerken. Tanya Desjani gehört zu diesen Leuten. Diese Leute sind ebenfalls tapfer, aber auf eine andere Weise, weil sie ihre Ängste lange genug unterdrücken, um ihre Aufgaben zu erledigen. Aber wenn Mut bedeuten würde, gar keine Angst zu empfinden, dann wären wohl die Maschinen die Mutigsten von allen im ganzen Universum.«
Eine Weile dachte sie über seine Worte nach, dann fragte sie mit fester
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