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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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gewesen, mehr nicht. Inzwischen bestand die gesamte Wohnungsfront hin zum Fluss aus Glas. Helles Laminat und weiße Wände ließen die sechzig Quadratmeter großzügiger erscheinen. Selbst wenn sie im Bett lag, konnte sie den Tejo und die darauf fahrenden Schiffe sehen. Wenn der Wind aus dem Westen wehte, konnte sie sogar den Atlantik riechen. Von hier oben konnte sie alles überblicken, aber niemand konnte sie sehen.
    Plötzlich fühlte sie sich entspannt und glücklich. Ihr Blick fiel auf die Bücher und Dokumente, die sie von Charles und vom Museumsdirektor erhalten hatte. Morgen würde sie mit ihrer Recherche anfangen. Und bald würde sie weltweit Aufsehen erregen! Sie zog sich auf dem Weg ins Schlafzimmer aus, ließ ihre Kleider auf den Boden gleiten, legte sich auf das Bett und starrte durch das Panoramafenster auf das Flusstal. Ihre Gedanken kreisten um Charles, seine sensationellen Bücher und um diese geheimnisvolle Karte, mit der sie nichts anzufangen wusste. Wie Wetterleuchten huschten tausende Gedanken durch ihren Kopf. Sie verdrängte den kurz aufkommenden Gedanken an den Araber und lächelte vor sich hin bei der Erinnerung an den sympathischen Mann mit der Kamera und dessen warmherziges Lächeln.
    Langsam fielen ihr die Augen zu. Schläfrig hörte sie ein Containerschiff den Tejo ostwärts Richtung Atlantik schippern. Das Tuckern der Dieselmaschinen vereinte sich in ihrem Halbschlaf mit den Worten des Direktors vom Museo Storico Navale in Venedig, die wie ein Echo durch ihre Erinnerung hallten: »Diese abenteuerliche Geschichte, Signora, fing an, als Heinrich, dritter Sohn des portugiesischen Königs Johann I. im Jahre 1434 den Kapitän Gill Eanes und fünfzehn auserwählten Männern den geheimen Auftrag erteilte, das Mar Tenebroso, das Meer der Finsternis, zu durchqueren. Dom Anrrique, wie der Königssohn in Portugal genannt wurde, befahl diesen wagemutigen Männern, die von der Kurie proklamierten Grenzen des Universums zu ignorieren, um eines der größten Geheimnisse der damaligen Zeit zu lüften. Jene furchtlosen Seemänner fuhren los, um etwas zu suchen, was der Papst und seine Vasallen weder hofften, dass es überhaupt existiert, geschweige denn wollten, dass es je gefunden werde: das legendäre Christenreich des Priesterkönigs Johannes. Die katholische Kirche sah in dem mystischen Priesterkönig eine Bedrohung des Alleinvertretungsanspruches des Papstes. Der Heilige Vater hoffte, dass dieses angeblich so mächtige Christenreich nie gefunden oder Informationen darüber die Christen Europas erreichen werde. Dafür war man in Rom bereit, alles zu tun. Alles! Der visionäre Dom Henrique hingegen sah in diesem Christenkönig einen potenziellen Verbündeten im Kampf gegen die ungläubigen Mauren. Und einen Mitstreiter bei der Befreiung Jerusalems. Jetzt, nach dem Tod von Charles Bahri, wird ans Licht der Öffentlichkeit gelangen, was damals wirklich passierte. Denn jemand hat aufgeschrieben, was geschah. Vielleicht war der anonyme Verfasser ein portugiesischer Getreuer des Infanten. Oder einer der zum Tode Verurteilten aus den Kerkern Portugals, die als Seeleute für dieses Abenteuer angeheuert worden waren mit dem Versprechen, dass sie, sollten sie jemals vom Ende der Welt zurückkehren, freie Männer sein würden. Vielleicht war es auch ein Franziskaner. Was damals geschah, ist eine sehr traurige Geschichte über Macht und Missgunst, Hass und Liebe. Ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte der katholischen Kirche.«
     
    In dem Moment, in dem Jahzara in ihrer Dachgeschosswohnung einschlief, warf Mohammed seine Zigarette weg. Seit Ankunft der Äthiopierin waren zwei Stunden vergangen. Davor hatte er vier Stunden lang auf der Bank unter dem Baum am Ende der Rua das Damas auf sie gewartet. Nachdem sie dann endlich das Haus betreten hatte, hatte er sofort Abu Fares angerufen. Statt von diesem langweiligen Auftrag entbunden zu werden, war ihm aufgetragen worden, zu warten, bis er abgelöst werden würde. Er hatte keine Ahnung, um was es hier ging. Es wollte und musste es auch nicht wissen. Er war es gewohnt, in Unwissenheit gelassen zu werden. Die Männer, für die er gelegentlich Aufträge durchführte, mochten es nicht, mit Fragen malträtiert zu werden. Was sie wollten, tat man. Was sie befahlen, führte man bedingungslos aus. Ihre Ehrenhaftigkeit stand außer Frage.
    Die heiligen Männer von Al Sakina waren mächtige Männer, von denen niemand in der moslemischen Gemeinde so genau wusste, was sie

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