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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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eigentlich wollten. Wer für sie arbeitete, tat das aus Überzeugung, im Namen Allahs.
    Kurz nach Mitternacht sah er Abu Fares auf sich zukommen. Der breitschultrige Hüne mit dem Vollbart und den eng zusammenliegenden Augen schritt nahezu lautlos über das Kopfsteinpflaster. So, wie ihm befohlen worden war, stand Mohammed auf und ging wortlos und ohne Abu Fares anzuschauen davon. Er kannte diesen Mann nur vom Sehen, kannte seine Stimme, wusste aber nichts von ihm. Doch so wie alle anderen Glaubensbrüder auch hatte er Angst vor Abu Fares. Jeder ahnte, was der Hüne für die Derwische des Ordens tat.

6.
     
    F ederico Pessagno hielt die Schmerzen nicht mehr aus. Die Narben seines Beinstumpfes schwollen an und die nässende Wunde am Oberschenkel begann, grauenhaft zu jucken. Er kannte das zwar mittlerweile, aber es überforderte seine Selbstbeherrschung, wenn sich unter dem Schorf Millionen Ameisen zu bewegen schienen. Kratzen half nichts. Stattdessen infizierte sich das Bein dort, wo ihm bei dem Unfall der Metallbügel der Vorderradgabel vom Motorrad in den Oberschenkel eingedrungen war. Aus einer anfänglich gut heilenden Wunde war ein fast handgroßes, permanent juckendes, eitriges Wundmal geworden. Das Jucken war längst zu einem größeren Problem geworden als der fehlende Unterschenkel.
    Seit sie ihm vor sechs Monaten sein Bein bis oberhalb des Knies amputiert hatten, litt er zudem unter Witterungsumschwüngen. Schon Stunden bevor anderes Wetter aufzog, spürte er die Veränderungen des Luftdrucks in seinem Bein. Manchmal litt er höllische Qualen. Mehr als Schmerzmittel konnte der Arzt nicht verschreiben. Doch die Pillen machten ihn willenlos, betäubten nicht nur die Schmerzen, sondern auch den Verstand. Es war ein Teufelskreis, der sein Leben radikal verändert hatte.
    Auch heute hatte er gegen Mitternacht plötzlich im Schlaf gespürt, dass eine Schlechtwetterfront aufzog. Die Schmerzen kamen schneller, als die Tabletten wirkten. Unruhig stampfte er, auf seine Krücke gestützt, durch sein Wohnzimmer bis zum Flur. Er krümmte sich vor Schmerzen, verlor das Gleichgewicht, taumelte, stürzte nahe der Haustür und kam mit seinem Kopf davor zum Liegen. Ein stechender Schmerz schoss durch den Beinstumpf. Völlig benommen sah er dennoch durch den Türschlitz einen Lichtkegel im Treppenhaus. Augenblicklich verdrängte Angst seine Schmerzen. Da war jemand. Einbrecher!
    Abermals schielte er durch den Schlitz unter der Tür hindurch. Da war er wieder, ein kleiner Lichtkegel. Federico atmete schneller. Diebe! Schon wieder! Seit 15 Jahren war er hier Hausmeister. Ein dutzend Mal war bereits eingebrochen worden. Das Viertel hatte sich mit dem Zustrom der Emigranten aus Afrika, Südamerika und aus arabischen Ländern zu einem Sammellager krimineller Elemente entwickelt. Die Häuser in Alfama waren alt und baufällig, die Mieten daher niedrig.
    Federico überlegte angestrengt. Die Polizei zu rufen, war sinnlos. Polizisten ließen sich immer absichtlich viel Zeit, wenn sie nach Alfama mussten. Sie hassten die Immigranten. Was, wenn dieser Einbrecher in seine Wohnung wollte? So, wie er hier lag, wäre er ein leichtes Opfer. Wahrscheinlich würde er sogar umgebracht werden. Das würde er zu verhindern wissen. Die Mieter im Haus waren ihm gleichgültig. Er mochte sie nicht. Und sie mochten ihn nicht. Die einzig wirklich Nette war die hübsche Äthiopierin oben unter dem Dach. War sie überhaupt da? Bedacht darauf, keine Geräusche zu machen, drehte sich Federico langsam auf den Bauch. Er musste an den Schrank gelangen. Dort lag die Schrotflinte. Er besaß sie noch aus der Zeit, als er Tontaubenschütze gewesen war. Einer der besten an der Algarve. Auch das war vorbei. Mit einem Bein, auf Krücken, ließ sich schlecht schießen. Dennoch konnte man sich selbst mit einem Bein gegen Einbrecher, Räuber und Mörder schützen. Nach wenigen Sekunden hatte er den Einbauschrank erreicht. Mühsam gelang es ihm, die Tür zu öffnen. Der kalte Holzschaft der englischen Bockdoppelflinte beruhigte ihn. Er zog die Waffe hervor und kippte den Lauf nach vorne. In beiden Kammern waren Patronen. Viererschrot. Perfekt! Auf kurze Distanz hob das selbst ein Wildschwein von den Beinen. Lautlos ließ er beide Läufe einschnappen, entsicherte die Flinte und robbte langsam zurück zur Tür. Millimeter um Millimeter drehte er den Haustürschlüssel um. Er hielt den Atem an und lauschte angestrengt. Wusste der Eindringling womöglich von seiner

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