Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
Vom Netzwerk:
ziehen einen zu Rate, damit man ihnen das sagt, was sie bereits wissen, sich jedoch nicht einzugestehen wagen. Also bestätige ich ihre Befürchtungen und rede Klartext mit ihnen, gebe dann meine Empfehlungen und wiederhole schließlich noch einmal, was ich ihnen gesagt habe. Und wenn dies alles gesagt und getan ist, beschweren sie sich trotzdem, weil sie gehofft hatten, ich würde ihnen statt des Offensichtlichen etwas Neues erzählen.«
    »Das tut mir Leid«, sagte sie mitfühlend.
    »Wie liefen Ihre Gespräche im Nordturm?«
    »Überraschend gut«, sagte Marisa. »Ich habe mich recht schnell wieder in die Rolle der Therapeutin hineingefunden – besonders mit Herrn Maddox.«
    Doktor Syntax grinste und schrieb weiter, während er sprach. »Das habe ich mir gedacht. Er ist sehr, äh, gesprächig. Wie lief es mit den anderen?«
    »Ganz gut, außer…«
    Er blickte sie von der Seite her an, einen verständnisvollen Ausdruck im Gesicht. »Außer mit Herrn Schwan? Ich würde mir keine Gedanken darüber machen. Er redet normalerweise nicht viel. Schließlich«, fügte er hinzu, »muss irgendjemand in diesem Universum einen Ausgleich für Herrn Maddox herstellen, nicht wahr?… Nun gut, ich nehme an, das alles wird in Ihrem Bericht stehen, richtig? Also, worüber wollten Sie mit mir sprechen?«
    Marisa schluckte. »Ich möchte mit Ihnen über Hagen von Tronje sprechen.«
    Doktor Syntax blickte unvermittelt auf. »Wie bitte?«
    Sie wurde rot. »Tut mir Leid – ich meinte Mikaal. Mikaal Gunnar-Galen.«
    Der Direktor schloss die Aktenmappe, an der er gearbeitet hatte, und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ah. Sie haben ihn also schon besucht, ja? Ich dachte, ich hätte Anweisungen erteilt, keine Gespräche mit ihm zu führen.«
    »Ich wusste nicht, ob das auch die Erstuntersuchung einschloss«, erklärte sie. »Davon abgesehen habe ich kaum fünf Minuten mit ihm verbracht.«
    Doktor Syntax kicherte. »Lange genug, um herauszufinden, dass er sich Hagen nennt. Egal. Es ist mein Fehler.« Er tippte sich mit dem Kugelschreiber gegen die Wange. »Ich hätte mich genauer ausdrücken und so höflich sein sollen, Sie persönlich zu informieren, statt Ihnen schriftliche Anweisungen zu geben. Wäre ich früher von meiner Reise zurückgekehrt, hätte ich mich selbst um ihn kümmern können, statt die ganze Sache Ihnen zu überlassen.«
    »Es tut mir Leid«, entschuldigte sie sich noch einmal. »Ich hätte warten sollen, bis Sie zurückgekehrt sind.«
    »Nein, nein«, widersprach er. »Ihr wichtigstes Anliegen war der Patient und so sollte es auch sein. Also gut, da Sie ihn jetzt gesehen haben: Wie ist Ihr erster Eindruck?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Wie gesagt, ich war nicht lange bei ihm. Auf jeden Fall befindet er sich mitten in einem psychischen Zusammenbruch. Sein Beharren auf den Namen ›Hagen‹ weist auf eine gespaltene Persönlichkeit hin. Außerdem behauptete er, mich zu kennen, und schien ärgerlich zu werden, als ich ihm sagte, mein Name sei Marisa. Er sagte, er würde mich unter einem anderen Namen kennen.«
    Der Direktor hörte auf zu schreiben und warf ihr über den Rand seiner Lesebrille einen Blick zu. »Die geistige Störung, unter der er leidet, geht normalerweise auch mit Gedächtnisverlust einher«, sagte er ernst. »Er kann unmöglich geglaubt haben, Sie zu kennen.«
    »Tatsächlich?«, rief Marisa aus. »Was kann das für eine Krankheit sein, die ihn so sehr durcheinander bringt, dass er zwar sprechen kann, aber die Leute in seiner Umgebung nicht mehr erkennt?«
    »Es ist nicht so, dass er sich zu seiner Umwelt nicht in Beziehung setzen kann«, erwiderte der Arzt. »Aber er leidet unter einer eigenartigen Wahrnehmungsverschiebung, die es ihm praktisch unmöglich macht, irgendjemanden zu erkennen.«
    »Mich schien er jedenfalls erkannt zu haben«, sagte sie. »Er behauptete sogar, meinen Namen zu kennen – er hat mich ›Kriemhild‹ genannt.«
    Doktor Syntax ließ seinen Kugelschreiber fallen, der mit lautem Poltern auf dem Boden aufschlug. »Das ist nicht möglich.«
    »Oh, ich weiß«, sagte Marisa als Antwort auf die Frage, die sie seiner fassungslosen Bemerkung entnommen hatte. »Ich habe ihn so schnell wie möglich auf ein anderes Thema gebracht.«
    »Ich verstehe«, sagte der Direktor, der seine Beherrschung wiedergewonnen hatte. »Und worauf deutet diese Fehlidentifizierung Ihrer Meinung nach hin?«
    »Dass er glaubt, die ihn umgebenden Menschen sind nicht das, was sie zu sein behaupten? Leichte

Weitere Kostenlose Bücher