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Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Marisa.«
     

     
    Die Tür schloss sich hinter ihr, und sie stand im Korridor und ließ sich das Gesagte noch einmal durch den Kopf gehen. Irgendetwas störte sie an dem Gespräch mit dem Direktor, doch sie konnte nicht genau sagen, was es war. Plötzlich fiel es ihr ein.
    Hagen. Doktor Syntax hatte ihn Hagen genannt.
    Es war für einen Psychologen ein ausgesprochener Fauxpas, einen Patienten mit Wahnvorstellungen bei seinem imaginären Namen zu nennen. Schlimmstenfalls war es schlecht für die Therapie. Wenn es vor Kollegen geschah und nicht in Hörweite des Patienten, konnte man es bestenfalls als schlechtes Benehmen bezeichnen. Ihrer Erfahrung nach mangelte es Doktor Syntax jedoch weder an Berufsethos noch an Etikette, und daher konnte sie sich diesen Ausrutscher nicht erklären.
    Sie dachte noch einen Augenblick nach und ging dann in ihr Büro, um die Patientenakten zu holen. Schließlich machte sie sich, immer noch beunruhigt, auf den Weg in den Nordturm, um mit den täglichen Gesprächen zu beginnen.
     

     
    »Der Schnee fällt immer dichter«, stellte Corwin Maddox fest. »Natürlich kümmert mich das im Augenblick wenig. Es sei denn, mir droht eine baldige Entlassung?«
    »Wohl kaum«, sagte Doktor Kapelson. »Tut mir Leid.«
    »Das ist nicht Ihre Schuld«, sagte Maddox mit einem Seufzen. »›Je mehr sich die Welt verändert, desto mehr bleibt alles beim Alten.‹ Das ist von mir. Der Spruch über Messer, Schere, Gabel und Licht übrigens auch.«
    »Der war gut.«
    »Vielen Dank«, sagte Maddox. »Ich habe mir natürlich auch haufenweise schlechte Sprüche ausgedacht. Allerdings haben zweitausend Lebensjahre den Vorteil, dass die Menschen die weniger intelligenten Äußerungen irgendwann vergessen oder einfach sterben. Gelungene Sprüche muss man einfach nur so lange wiederholen, bis sie sich dem kollektiven Gedächtnis einprägen. Und manchmal muss man sich nicht einmal selbst darum kümmern, wie im Fall von John Lennons Bemerkung, die Beatles seien ›… populärer als Jesus‹. Als ich Lennon das sagen hörte, ist es mir genauso kalt den Rücken hinuntergelaufen wie damals, als jemand zum ersten Mal diesen Sohn eines Zimmermanns als ›den Gottessohn‹ bezeichnet hat.«
    »Sie haben John Lennon wirklich gekannt?«
    »›Wer die Fehler der Vergangenheit nicht kennt, wird sie wiederholen.‹ Dieser Satz ist nicht von mir, aber irgendjemand hätte ihn Lennon hinter die Ohren schreiben sollen.«
     

     
    »Das war es auch, was mich anfangs zu dem Nazarener hingezogen hat – die Geschichte über diese Brotlaibe und Fische meine ich. Die fällt natürlich in die gleiche Kategorie wie die fliegenden Kaninchen, aber nachdem ich dieses Wunder mit eigenen Augen gesehen hatte, konnte ich die hunderte von Menschen, die behaupteten, von den Brotlaiben und Fischen gegessen zu haben, nicht einfach ignorieren. Ich folgte dem Nazarener und zeichnete pflichtbewusst alle Geschichten auf, die ich über ihn hörte. Und glauben Sie mir, das war alles klassisches Material. Der Renner waren die spontanen Heilungen: Er hat mich berührt, er hat mich gesegnet, sein Schatten fiel auf mich – suchen Sie es sich aus. Ganz gleich, welche Art von Kontakt – man konnte sich darauf verlassen, dass jemand hinterher behaupten würde, von irgendetwas geheilt worden zu sein.«
    »Sie glauben nicht an spontane Heilungen?«
    Maddox schüttelte den Kopf. »Ich glaube den ganzen Berichten nicht und schon gar nicht den bekanntesten. Ist eine Geschichte zu glatt, dann ist sie wahrscheinlich erfunden. Die etwas schmutzigeren Geschichten schienen mir immer am glaubwürdigsten zu sein, aber die hat die Kirche natürlich herausgestrichen.«
    »Tatsächlich«, sagte Doktor Kapelson.
    »Das liegt doch auf der Hand«, sagte Maddox. »In der Bibel scheißt niemand – und glauben Sie mir, Scheiße war damals allgegenwärtig. Es gab eine ziemlich gute Geschichte über einen Pharisäer, dem angeblich eine fehlende Gliedmaße nachgewachsen war, nachdem er sich an der Stelle auf dem Boden gewälzt hatte, wo der Nazarener und seine Jünger Wasser gelassen hatten. Sie machte die Runde, und irgendjemand fragte schließlich Jesus, ob sie der Wahrheit entsprach. Wie es seine Gewohnheit war, verfiel er sogleich in eine Lektion darüber, wie wichtig es sei, stets alles Unreine aus dem Körper auszuscheiden. Ich weiß nicht, ob die Sache mit dem Pharisäer stimmt oder nicht, aber ich persönlich glaube, das ›Blasengleichnis‹ hätte eine ausgezeichnete

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