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Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Paranoia, würde ich sagen. Wenn auch vielleicht in weniger schwerem Stadium als jene, die das Vorkommnis der vorletzten Nacht verursacht hat.«
    »Was wissen Sie darüber?«
    »Nicht viel – ich kenne sein Gesicht und seinen Namen und ich weiß, dass man ihn mit einem Mord in Verbindung bringt.«
    Doktor Syntax beugte sich vor und griff in einen fleckigen, grünen Aktenkarton. »Hier. Das ist ein Ausschnitt aus der Zeitung von gestern, in dem über die Hintergründe des Ereignisses berichtet wird. Einiges davon ist Ihnen sicher schon geläufig.«
    Doktor Syntax reichte ihr einen kleinen, rechteckigen Zeitungsausschnitt, vergrub sich dann wieder in seine Arbeit und warf ihr nur hin und wieder einen neugierigen Seitenblick zu. Sie ließ sich in dem Ledersessel gegenüber seines Schreibtischs nieder und begann zu lesen.
     
    (DPA) Meldung der Deutschen Presseagentur – 27. August
     
    BAYREUTH – Ein brutaler Mord brachte in der vergangenen Nacht die jährlichen Wagnerfestspiele in Bayreuth zu einem abrupten Ende, nachdem zwei Männer während der Aufführung der Götterdämmerung, der vierten Oper des Ring-Zyklus, die Bühne des Festspielhauses gestürmt hatten. Während einer Szene sprang der Rektor der Universität Wien, Mikaal Gunnar-Galen, auf die Bühne und begann mit dem Vortrag der improvisierten Version einer – wie Zeugen behaupten – unorthodoxen Variante der Oper. Plötzlich zog er ein Schwert und durchbohrte das Opfer, das ebenfalls auf die Bühne gesprungen war und Szenen aus der Oper rezitierte. Bei dem Opfer, das später als Michael Langbein identifiziert wurde, handelt es sich um einen Gastprofessor für Literatur an der Universität Wien, der, wie Untersuchungen ergaben, gerade die Nachricht von seiner Entlassung erhalten hatte. Vermutungen der Ermittler zufolge könnte dies den Konflikt zwischen den beiden Männern ausgelöst haben. Es ist noch immer ungeklärt, warum sich beide im Festspielhaus aufhielten oder welche Rolle eine neue Fassung von Wagners Oper bei dem Vorfall gespielt haben könnte. Nach Augenzeugenberichten spielte Langbein anscheinend die Rolle des Siegfried und Gunnar-Galen die Rolle des Hagen – ein weiterführendes Verdachtsmoment, da der Abschnitt der Oper, den sie übernommen hatten, die Ermordung Siegfrieds durch Hagen beinhaltete. Ein Ärzteteam traf nur Minuten nach dem Vorfall ein, doch alle Bemühungen um eine Wiederbelebung Langbeins blieben erfolglos. Er wurde noch am Tatort für tot erklärt. Die Behörden nahmen Gunnar-Galen fest und verhörten ihn, doch er redete wirr und verhielt sich irrational. Es wurde festgestellt, dass er einen psychischen Zusammenbruch erlitten hatte, und man übergab ihn zur weiteren Beurteilung in die Obhut einer privaten psychiatrischen Einrichtung. Die verbleibenden zwei Tage des Festivals wurden abgesagt und sämtliche damit zusammenhängende Veranstaltungen bis zum Ausgang der Ermittlungen eingestellt.
     
    Marisa blickte von dem Zeitungsausschnitt auf. »Ist Herr Gunnar-Galen auf direktem Wege hierher gebracht worden?«
    »Nein«, erwiderte Doktor Syntax. »Er wurde in eine Klinik in der Nähe von Bayreuth eingeliefert, und ich habe veranlasst, dass er hierher verlegt wird.«
    »Und in welche Klinik wird er als Nächstes überführt werden? Wenn diese Woche vorbei ist, meine ich.«
    Der Direktor blickte sie ruhig an. »Er wird nirgendwohin überführt werden. Ich bin der festen Überzeugung, ihn am Ende der Woche entlassen zu können.«
    Marisa blickte ihren Arbeitgeber einen Augenblick lang überrascht an, bevor sie antwortete. »Das kann nicht Ihr Ernst sein.«
    »Oh doch.«
    »Sie glauben, er kann in weniger als sieben Tagen geheilt werden?«
    »Nein«, erwiderte der Direktor. »Ich glaube, dass sich innerhalb von sieben Tagen die Parameter seiner Krankheit solcherart verändert haben werden, dass man ihn nicht mehr länger als verrückt betrachten kann.«
    Marisa schwankte. »Ich verstehe nicht.«
    »Das habe ich erwartet. Und das ist einer der Gründe, warum ich jegliche Gespräche mit dem Mann untersagt habe.«
    »Es wird keine therapeutischen Gespräche geben?«
    »Nein, keine. Ich werde die ganze Sache völlig nach meinem eigenen Ermessen handhaben. Nehmen Sie es nicht persönlich«, fügte er hinzu, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte. »Das hat nichts mit Ihnen zu tun, sondern mit den Besonderheiten dieses Falls – und ich fürchte, ich muss meine früheren Anordnungen noch einmal betonen: Sie dürfen keinerlei Kontakt

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