Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
Vom Netzwerk:
Gunnar-Galen. Sie können mich Galen nennen.«

 
ZWISCHENSPIEL
Die Landmasse
     
    Das war nicht der Ort, den er erwartet hatte. Jedenfalls nicht ganz. Geografisch betrachtet mochte er sich vielleicht in der Nähe des richtigen Ortes befinden. Mit großer Sicherheit handelte es sich jedoch nicht um die richtige Zeit.
    Die kleine Sonne hing hoch am Himmel und warf weißliches Licht in die säuerlich riechende Luft. Der Horizont war glasklar und wolkenlos. Unter seinen Füßen, so weit das Auge reichte, und – wie er mit zunehmender Klarheit feststellte – höchstwahrscheinlich auf jedem Quadratmeter fruchtbaren Landes auf der ganzen Welt breitete sich ein dichter, wogender Farnteppich aus. Keine Bäume, kein Moos, kein wilder Wein, sondern einfach nur Farne.
    Seine Augen verengten sich, während er nachdachte. Zum Teufel, in welcher Zeit befand er sich?
    Auch früher – oder, aus seiner zeitlichen Perspektive betrachtet, später – war er bereits fehlgegangen, und deshalb war auf diese Situation nicht gänzlich unvorbereitet. Er öffnete einen kleinen Kalender, den Siebzehn angefertigt hatte und der umfangreiche Notizen über die genauen Einzelheiten historischer Unstimmigkeiten enthielt, die auf mögliche Endpunkte hinwiesen. Mit einem Lächeln bemerkte er, dass sich darunter auch die Fußabdrücke befanden, die er auf seiner Spritztour nach Südafrika vor etlichen tausend Jahren hinterlassen hatte. Siebzehn war die Gründlichkeit in Person. Während er die verschiedenen Kategorien durchblätterte, beschloss er nach allem Ausschau zu halten, das irgendeine Beziehung zu dem hervorstechendsten Merkmal der Landschaft hatte: den Farnen.
    Während er las, schritt er inmitten der Grünfläche auf und ab und murmelte leise vor sich hin. Wenn er hin und wieder eines der merkwürdigen wirbellosen Tiere unter seinen Sandalen zerquetschte, kam ihm für einen kurzen Augenblick der Gedanke, ob er womöglich – wie in der Geschichte von Bradbury – mit jedem zertretenen Trilobiten ganze Kulturen vernichtete. Zwei Schritte nach rechts und Indien verschwand; ein Schritt nach links und Kaninchen würden die Erde beherrschen.
    Plötzlich hatte er es gefunden. Er wusste nun ungefähr, an welchem Ort und Zeitpunkt er sich befand… und stieß einen lauten Fluch aus. Als er hinabblickte und seinen Fuß anhob, sah er im Morast genau das, was später als Bild in den Kalender eingehen würde: der Abdruck einer Sandale auf einem zertretenen Trilobiten. Der versteinerte Fußabdruck auf dem Foto war in Utah entdeckt worden – und ganz sicher nicht in London – und auf ein Alter von etwa dreihundert Millionen Jahren geschätzt worden.
    In dieser Zeit bestand das tierische Leben aus wenig mehr als Pfeilschwanzkrebsen und Kakerlaken; die Atmosphäre war kaum halb so alt wie der Planet selbst, und die Kontinente waren zu einer prähistorischen Landmasse zusammengeballt, die ein ganzes geologisches Zeitalter lang nur von Farnen bewachsen sein sollte: Pangäa.
    Noch einmal stieß er einen Fluch aus. Er kam aus dem zweiundzwanzigsten Jahrhundert, von einem Endpunkt, der während der Wiedervereinigung Irlands aufgetreten war. Dass ihn der Bogen so weit zurück in die Vergangenheit befördert hatte, beunruhigte ihn zutiefst.
    Einhunderttausend Jahre konnte man mit einem Sprung zurücklegen; fünfhunderttausend Jahre strapazierten bereits die Grenzen der Anabasis-Theorie; mit einer Million verließ er den Bereich der konventionellen Physik vollends; aber dreihundert Millionen? Das war selbst für eine historische Unstimmigkeit ungewöhnlich, und der Eintrag in dem Buch war vermutlich nur Siebzehns Liebe zur Vollständigkeit zu verdanken. Im Quorum herrschte Einigkeit darüber, dass eine Million Jahre die Grenze darstellte. Und wenn dem so war, wie kam er dann hierher?
    Er warf erneut einen Blick auf seinen Fußabdruck und das entsprechende Bild im Kalender und langsam dämmerte es ihm.
    Er war hier – war hierher gesprungen, zu diesem einen Augenblick in den Jugendjahren des Planeten, weil er hierher gesprungen war.
    Der Augenblick seiner Ankunft stellte einen Endpunkt dar, und zwar einen, den seine Anwesenheit an diesem Ort erst erzeugt hatte. Er selbst hatte den Grund geliefert, der diesem Augenblick Bedeutung verlieh, und dadurch eine Kausalitätsschlaufe hervorgerufen, die ihn als Nullpunkt unbrauchbar machte.
    Oder etwa doch nicht?
    Der Punkt auf den Schlaufen, den er gesucht hatte, war ein bedeutender Endpunkt, der jedoch nicht als

Weitere Kostenlose Bücher